Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
umsonst verdächtigt.
Aber was war mit meiner Liebe geschehen?
Nun war doch alles gut! O.K., ich hatte aus Versehen ein paar Leute umgebracht, aber um die war es wirklich nicht schade. Was stand denn nun unserem gemeinsamen Glück im Wege? Ich war inzwischen frei. Frank und frei.
Zwei Dinge waren Tatsache: Fred war unschuldig. Aber ich liebte ihn nicht mehr. Sosehr ich auch in mich reinhorchte. Mein Herz klopfte nicht mehr, wenn ich an ihn dachte. Wenn er irgendwo am Rande des Horizontes auftauchte, dann bekam ich keine weichen Knie mehr. Ich konnte wieder essen, wieder schlafen. Ich hatte ihn bitterlich verletzt, ich ihn, und eigentlich hätte ich mich bei ihm entschuldigen müssen. Aber ich verspürte kein Bedürfnis dazu.
Die zweite Tatsache war, daß IRGEND JEMAND nach wie vor von Ulrich und mir ein Foto haben mußte oder ein Video oder was weiß ich. UND es gab jemanden, der diesen vermaledeiten anonymen Brief geschrieben hatte.
Ganz offensichtlich war Günther Dittmers es NICHT.
Ich grübelte und grübelte, während ich auf dem Laufband meine Kilometer abtrabte. Das Hörbuch aus dem Rusch-Verlag »Reg dich nicht auf« half mir nur bedingt weiter.
Die »MS Blaublut« hatte die Vereinigten Arabischen Emirate verlassen und nahm nun Kurs auf Bombay. Wir hatten drei Seetage vor uns. Wir Künstler hatten verstärktes Programm: Anna machte wieder jeden Morgen Wing Tsun mit den Gästen, ich hatte wieder einen Chor gegründet, Friedemann Gottlieb, der hundekuchengute Bariton, erfreute die kaffeetrinkenden Damen und Herren mit dem »Erlkönig« und dem »Leiermann« von Schubert. Das klang dann so:
»Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?«
Friedrich Feist peitschte die Tasten.
»GERTRAUT!? Gibste mir mal die MILCH?«
»Es ist der Vater mit seinem Kind.«
»DIE SAHNE ODER DIE MILCH?«
»Er hat den Knaben wohl in dem Arm ...«
»OCH, ICH NEHM WOHL NOCH EIN STÜCKCHEN VON DER BROMBEERTORTE!«
»Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – Siehst Vater, du die Kunstbanausen nicht?«
»FROLLEIN? HOM SIE SÜSSSTOFF??«
Klapper, klapper, brummel, brabbel, quater die quater ...
»Die Kaffeetanten mit Kron und Schweif? – Mein Sohn, es ist
ein Nebelstreif.«
»GIBT’S AUCH Kaffee HAAAACH?!«
»Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar tausend Brombeertörtchen schenk ich dir!«
Und so weiter.
Anna und ich saßen hilflos vor Lachen in der Ecke und sahen unseren armen Friedemann Gottlieb leiden.
»Drüben hinterm Dorfe steht ein Leiermann ...«
Klapper, klapper, würg, schluck, mampf.
»Und mit starren Fingern dreht er, was er kann ...«
Friedrich Feist spielte mit klammen Fingern auf seinem Flügel herum. Es war so ergreifend!
Im Saal unterhielt man sich lautstark.
»Und dann sacht der Reiseleiter, es wär im Bus kein Platz mehr frei! Sachma! In der ersten Reihe wär nur für Behinderte!! Sachma!«
»Barfuß auf dem Eise schwankt er hin und her ...«
Der arme Friedemann Gottlieb tat mir so leid!
»Und sein kleiner Teller bleibt ihm immer leer ...«
»Ham Sie auch Pfefferminztee?« dröhnte jemand in das Zwischenspiel hinein.
»Keiner mag ihn hören, keiner sieht ihn an ...«
Ja. Das war das Los des armen Friedemann Gottlieb.
»Und die Hunde brummen um den alten Mann ...«
Keiner mochte ihn hören, keiner sah ihn an.
Aber ich mochte ihn, fürwahr. Endlich mal ein bis in die Knochen guter Mensch.
Auf See, 25. März
Ab 6.00 Frühstück für alle Frühaufsteher im Salon »August der Starke«.
7.30 »Hallo, Blaublut!« Fröhlicher Wecker mit Fred Hahn. Die Radiosendung, die munter macht.
8.00 Das große Frühstücksbuffet ist eröffnet! Greifen Sie zu und stärken Sie sich für den Tag.
8.15 Für Kalorienbewußte: Zerealien in 125 verschiedenen Zubereitungsarten – im Restaurant »Königin Fabiola«.
9.00 Frühstück für Ausgeschlafene – im Glaspavillon »Schöne Aussicht«. Das Frühstück wird am Platz serviert.
9.45 Bayrischer Imbiß mit Weißwurst und Leberkäs. Dazu: Bier vom Faß.
10.30 Großes Brunchbuffet im Restaurant »Vier Himmelsrichtungen« mit amerikanischem Breakfast. Greifen Sie kräftig zu!
11.00 Für den empfindlichen Magen: Bouillon mit Eierstich und Nüdelchen – im Glaspavillon »Schöne Aussicht«.
11.00 »Fürst-Rainier-Saal«: Diavortrag zum Thema »Magenbeschwerden, Völlegefühl – wer kennt das nicht?« Es spricht: Bordarzt Dr. Hundtgeburth.
12.00 Für den kleinen Hunger: Schnittchen und Canapés im Restaurant »Erzherzog Ferdinand«. Dazu: Bier
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