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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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der kleine Schweizer neben mir wanden sich wie zwei Fische im Netz. Gloria lachte laut.
    »Zum Thema Tanz«, lächelte ich.
    Der Herr Professor erhöhte seinen Händedruck auf meinem Rückenausschnitt und hob an:
    »Flatternde Röcke und wogende Brüste,
    Mühsam verborgene freche Gelüste,
    In den Augen ein fiebernder Glanz:
    Heißa hurra, das ist der Tanz! –
    Tolles Gemenge von dampfenden Leibern,
    Weiber an Männern, Männer an Weibern,
    Röchelndes Schnaufen, süßes Gestöhn,
    Bänder und Schleifen winken und wehn;
    Und aus dem schweißbedeckten Getriebe
    Schreit es so grell und brünstig nach Liebe ...
    Mitten im stampfenden, brausenden Tosen
    Ächzen welke, zertretene Rosen
    Aus dem zerfetzten, modrigen Kranz.
    Heißa hurra, das ist der Tanz!«
    »Das muß ich alles in mein Tagebuch schreiben! Von wem war das?«
    »Leo Heller.« Der Professor verbeugte sich bescheiden.
    »Noch eins, noch eins, noch eins!« Ich hüpfte hyperaktiv vor ihm her. »Über diese Dünne mit dem Vogelnest!«
    Der Professor grinste süffisant und sprach:
    »Sie sollten sich ein Jäckchen leisten.
    Sie sind ein Scheusal. Auch von vorn.
    Gott schlug Sie hart in seinem Zorn.
    Doch hinten schlug er Sie am meisten.
    Ich bitte Sie, mir zu verzeihen.
    Man wird nicht schöner, wenn man älter wird.
    Wer anderer Ansicht ist, der irrt.
    Doch Sie war’n sicher schon als Kind zum Speien.
    Zieh dir was an, du alte Gans.
    Der ganze Saal sitzt voller Klimakterien.
    Und so was gibt’s! Und so was nennt sich Ferien –
    eines noch ziemlich jungen Manns.«
    Ich brüllte vor Lachen. Gloria und Ulrich, die sich zu uns herübergebeugt hatten, brüllten auch.
    Kein Zweifel. Das Super-Mega-Tanzpaar aus dem Gold-Star-Kurs fühlte sich verlacht. Sie wankten betreten mit eisernem Durchhaltewillen weiter über das Parkett. Und: hmpf cha cha cha, hmpf cha cha cha! Und das Vogelnest flog im Bühnenstaub auf dem Kopf der knochigen Alten, während der untersetzte Gatte sie bösen Blickes herumschleuderte.
    Der gute Professor wollte gleich noch ein Gedicht vortragen, aber da spritzte der begeisterungsfähige kleine Schweizer herbei und klatschte mich ab.
    Gloria schnappte sich den Professor, und nun fühlte ich mich von Ulrich herumgeschleudert. Obwohl er einen Kopf kleiner war als ich und vermutlich zwanzig Kilo leichter, war er ein exzellenter Tänzer. Ich erinnerte mich an den Spruch von »Rain Man« Dustin Hoffman: »Ich bin ein exzellenter Fahrer. Aber nur in der Auffahrt.«
    Und genauso war Ulrich. Ein exzellenter Tänzer. Aber nur in der Auffahrt. Wir nahmen die ganze Tanzfläche für uns in Anspruch. Die Gediegenen hatten längst die Segel gestrichen und sich kopfschüttelnd in ihre Clubsessel begeben. Einzig das Adlerhorstpaar gab nicht auf. Mit Blicken, die töten konnten, fegte es eisern über die Bühne. Wisch, stampf, Wechselschritt, Knie beugt, Knie streckt, wisch, stampf, Wechselschritt! Die Bändmitglieder grinsten. Ich wurde immer alberner, genau wie Gloria.
    Wir lachten und tanzten, wir flirteten und kicherten, und Ulrich schwitzte in seinem Smoking, daß ihm die Schweißtröpfchen nur so von der Stirn rannen.
    »Du, das ist der Wahnsinn, du!« brachte er immer wieder hervor.
    »WAS ist der Wahnsinn?«
    »Na, wie du tanzen kannst, du, das ist wirklichch Wahnsinn!«
    Ich ließ mir das Kompliment gefallen. Anscheinend war Ulrich nichts Gutes gewöhnt daheim.
    Als endlich die Bänd was Langsames spielte, ließ ich meinen Blick nach oben schweifen, auf die Empore, wo die Künstler gesessen hatten. Ob Fred Hahn mich heimlich beobachtete?
    Doch die Empore war leer.
    Die Künstler waren längst gegangen.

Am nächsten Morgen schwankte ich bereits um halb sechs den Gang hinunter in Richtung Fitneßcenter. Ich wollte unbedingt vor dem Frühstück meine neunzig Minuten trainieren. Das Mädel an der Rezeption blickte irritiert hinter mir her. Tja, dachte ich, da hängt ihr, ihr schlappen Gewächse! Ich war so voller Tatendrang! Ich hatte eine Mega-Power! Die hatte ich in Geilenkirchen nie! Wenn mich in Geilenkirchen einer aufgefordert hätte, um halb sechs ins Fitneßcenter zu gehen, ich hätte ihn erschlagen. Doch hier, auf der »MS Blaublut«, war das etwas ganz anderes.
    Für zehn Uhr war eine Probe angesetzt. Und ich wollte gut sein. Fit wie ein Turnschuh, blendend aussehend, mit gewaschenen Haaren, strahlenden Augen, und diesmal natürlich eingesungen bis zum hohen H. Der Kreuzfahrtdirektor sollte Augen machen. Das, was ich gestern geleistet hatte, war

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