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Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)

Titel: Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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und knebelte sie regelrecht damit. Mit ein paar gezielten Griffen, die ich Anna beim Wing-Tsun-Training abgeschaut hatte, zwang ich Frau Adlerhorst in den feuchten Wäscheberg. Ich stülpte ihr ein Bettlaken über den Kopf. Sie wehrte sich und strampelte, aber ich versetzte ihr einen Stoß mit dem Knie, so daß sie sich nicht mehr rührte. Ich löste das Seil, mit dem ein Wäschesack zugebunden war, und machte aus der geknebelten Frau Adlerhorst einen Wäschesack. Sie war nun inmitten der nassen Handtücher, Tischdecken und Laken gefangen.
    Die Chinesen kamen zurück. Ich huschte hinter den Trockner. Von dort aus konnte ich beobachten, wie die fleißigen Arbeiter all die nassen, noch dampfenden, schweren Wäschestücke in den riesigen Trockner hievten. Auch Frau Adlerhorst. Da kannten die nichts. Alles, was auf dem feuchten Berg lag, wurde in den Trockner geworfen. Die eifrigen Chinesen knallten die schwere Eisentür zu und stellten den Trockner an. Er begann zu rumpeln und zu dröhnen.
    Frau Adlerhorst kam hier, wenn überhaupt, als Dörrfleisch wieder raus. Die Chinesen knipsten das Licht aus. Offensichtlich war jetzt Feierabend.
    Klar. Es war zehn Uhr abends.
    Nachdem die Chinesen weg waren, stellte ich den Trockner
    noch auf »Extratrocken«. So. Er würde nun ein paar Stunden brauchen. Nach dem Abendessen mit Ulrich würde ich hier mal nach dem Rechten schauen. Und eventuell ein knochentrockenes Bettlaken im Fahrstuhl nach oben schicken, um es von dort über die Reling zu werfen.
    Jetzt hatte ich aber Hunger. Bestimmt stand schon die Vorspeise auf dem Tisch. Ich mußte mich doch stärken! Mit großem Appetit verließ ich ungesehen den dunklen, nebeligen Raum.
    Neuseeland! Die letzte Station meiner Reise! In drei Tagen ging mein Flugzeug nach Hause. Ich konnte mir nicht vorstellen, nach allem, was gewesen war, wieder in Geilenkirchen Choräle zu singen.
    Fred. Er hatte mir ein Lebenszeichen gegeben! Ein kleines, schwaches Lichtlein flackerte noch am Kerzenstummel meiner Sehnsucht, die einst eine so riesige züngelnde Feuersbrunst gewesen war.
    Gestern abend hatte ich mein Chorkonzert gehabt. Mit deutschen Volks- und Weihnachtsliedern. Und es war phantastisch gelaufen. Über siebzig Mitglieder hatten mit Begeisterung in meinem Chorkonzert mitgewirkt, auch der dicke Lektor, Anna, Anthony, die Verhungerte, die immer am Reck über den Tafelnden baumeln mußte, ihr Mann, der Zauberer Rudi, sogar Larry, der Ton-und-Licht-Knecht, hatte in der hintersten Reihe gestanden und inbrünstig mitgesungen. Mein lieber alter Professor Weißenreim sang ersten Tenor, mein anderer alter Freund, der Einhandsegler, sang im Baß, Gloria, die neugierige STERN-Reporterin, saß am Rande der Bühne und machte eifrig Notizen, und Stefan, der Fotograf, ließ ein Blitzlichtgewitter nach dem anderen auf uns niederzucken. HERR Adlerhorst sang im Bariton, und es schien ihm genauso gut zu gehen wie FRAU Rehm, die im zweiten Sopran tremolierte. Auch Frau Adlerhorst war morgens um fünf in aller Stille zu Wasser gelassen worden. Sie hatte es schon immer mit den Nieren gehabt, wie mir Dr. Mundgeruch beim Barte des Propheten Hippokrates raunend mitgeteilt hatte. Und zwar habe sie vermutlich den Freitod gewählt. Sie sei ja völlig kopflos – hahaha, im wahrsten Sinne des Wortes – davongerannt! Einige Passagiere hätten sie noch im Treppenhaus gesehen, aber dann sei sie spurlos verschwunden gewesen. Doch offiziell habe sie es an den Nieren gehabt und sei bestattet worden. Auch er, der gute Doktor, sang beherzt im Weihnachtskonzert mit, und er mußte sich zwischenzeitlich die Augen wischen vor Ergriffenheit. Ja, das war schon etwas ganz Besonderes, am zweiten Advent bei 40 Grad im Schatten »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit« und »Es kommt ein Schiff gelahahaden« zu singen! Sie alle hatten Sehnsucht nach ihrer deutschen Kleinstadt, nach dem Weihnachtsmarkt, den kalten Füßen, dem Glühwein aus Pappbechern, dem Tropfen an der Nase, dem Kinderkarussell, in dem dick vermummte Kleinkinder im Kreis herumfahren, den Ökokerzen und Lichterketten und Strohsternen und Bretterbuden, in denen fröstelnde Gestalten sitzen, um ihre Bratwürste und gebrannten Mandeln feilzubieten. Was nützt einem Deutschen am zweiten Advent ein Sieben-Gänge-Menü im »Vier Himmelsrichtungen«, wenn er sein Sauerkraut mit Mettwürstchen und seine Lebkuchenherzen nicht hat?
    Nach dem Konzert hatten wir noch lange gefeiert. Trotz der flirrenden Hitze nachts um eins

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