Mord an Bord: Roman (Allemand) (German Edition)
lockte ihn auf das Dreierdeck, vorbei an der Tischtennisplatte ohne Netz.
Er keuchte und trampelte plump hinter mir her. Seinen schwarzen Krawattenknoten hatte er gelockert und fummelte mit einer Hand daran herum. In der anderen Hand hielt er eine Pulle Champagner.
Ich öffnete kichernd die Tür mit der Aufschrift »Staff only«. Alles war verwaist. Oder war da ein Schatten? Ich stutzte. Nein. Bestimmt hatte sich wieder die Fahne vor die Mondsichel geschoben. Ich lauschte. Außer dem lauen Wind und ein paar krächzenden Möwenschreien war nichts zu hören. Der Käpt’n taumelte hinter mir her.
»Hier? Aufe Tischtennisplatte? Du liebs ja außergewöhnliche Leibesertüchtigungen, woll?«
Der Käpt’n kam aus Castrop-Rauxel, ein ungewöhnlicher Ort für einen Traumschiffkapitän.
»Die Tischtennisplatte ist zu morsch«, erklärte ich ihm. »Außerdem herrscht hier Durchgangsverkehr, Herr Kapitän.«
»Verkehr ja, Durchgang nein!« alberte der grobschlächtige schwitzende Kerl. Ich zog ihn an seiner gelockerten Krawatte weiter. Vorbei am Crew-Swimmingpool ohne Wasser. »Dat is ja alles nich romantisch hier!«
War da ein orangefarbener Stoffzipfel unter der Abdeckplane? Und wenn – war der da eben schon gewesen?
Der Käpt’n taumelte hinter die verwaiste Schmuddel-Bar. Hier hatte die Crew-Fete stattgefunden, jetzt erinnerte ich mich! Hier hatte Fred »Es war wie ein schöner Traum« gesungen! Es war schwarz vor Menschen gewesen. Jetzt war alles verlassen. Leere, ungespülte Biergläser standen herum, Zigarettenkippen lagen plattgetreten auf der Erde. Der Käpt’n machte sich am Bierzapfhahn zu schaffen. Es kam aber nichts raus als spritzende weiße Gischt. »Wie sieht dat denn hier aus!« schimpfte er, während er sich mit einem schmuddeligen Lappen die Uniform abtupfte. »Volle Schweinerei hier! Der Hoteldirektor fliegt genauso raus wie der Hahn! Keiner auf diesem Schiff macht seinen Job gut, keiner! Sauladen ist das hier!«
»Wer wird sich denn jetzt aufregen, Herr Kapitän! Als hätten wir nichts Besseres zu tun!«
Der Käpt’n bückte sich und hielt mir angewidert ein Kondom unter die Nase. »Dat IS doch nich zu glauben! Wat ‘ne Schweinerei!« Er warf das Kondom in den leeren Swimmingpool. Ich unterdrückte ein Kichern. Täuschte ich mich, oder bewegte sich da etwas unter der Abdeckplane des Pools? Ich starrte zu der Stelle, wo eben noch der orangefarbene Zipfel gewesen war. Waren das schwarze Haare, die da auf dem Grund des Pools lagen? Iih! Wie unappetitlich! Nein, hier mußte wirklich mal einer für Ordnung sorgen. Ich kniepte die Augen zusammen. Als ich noch mal hinschaute, waren die Haare weg. Quatsch. Einbildung. Ich sah schon Gespenster. Aber ich hatte nicht das geringste Interesse daran, schon wieder beobachtet zu werden.
»Kommen Sie, Käpt’n. Ich kenne da ein Räumchen, da sind wir ungestört!«
Der Käpt’n stolperte hinter der Crew-Bar hervor. Es stank nach altem Bier, Zigarettenkippen, Schweiß und anderen menschlichen Ausdünstungen.
»Ich werde diese Crew-Parties verbieten. Dat die hier so rumhuren, diese Kanaken, dat hört mir auf.«
Ich blieb vor der Tür mit den Farbeimern stehen und drückte die schwere Klinke runter.
»Hier drin doch nich, Mädchen! Du bis vielleicht blöd! Da kannze drin ersticken!«
Der Kapitän packte mich an der Schulter.
»Käpt’n, das törnt mich voll an! ‘n bißchen schnüffeln, und Sie sind sofort im siebten Himmel!«
Ich versuchte, die Tür aufzuziehen. Sie ging vorhin schon schwer auf, aber soo schwer doch nicht!
Warum ging die ... verdammte ... Tür ... nicht auf?! Ich hatte nur noch wenige Sekunden zum Handeln!
»Mädchen, bisse blind? Der Riegel is doch vorgeschoben!«
Tatsächlich. Der Riegel war zu. Ich war mir ganz sicher, daß ICH den Riegel wieder geöffnet hatte. Schon, um bei meinem Plan leichtes Spiel zu haben. WER hatte den Riegel nach mir noch zugeschoben? Jemand war hier gewesen. Ich hatte es die ganze Zeit gespürt.
»Ja wat is nun, Mädchen? Mach dat Dingen auf!«
Die dicke Pranke des Käpt’n schob sich ungalant vor meine Brust. Mit einem Ratsch war der Riegel offen. Der Käpt’n riß die Tür auf.
Der penetrante Geruch von Farbe und Terpentin schlug uns entgegen.
»Meinze, ‘n bißken schnüffeln macht high?« Der Käpt’n tappte neugierig in die Falle.
Ich wollte ihn gerade vollends hineinschubsen, als ich vor Schreck erstarrte: Da lag ... ein oranges Bündel! Mit schwarzen Haaren! Hinter dem Farbeimer mit
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