Mord an der Leine
unbeantwortete Frage.«
»Lars von Wedell.« Madsacks Stimme klang fast tonlos.
Frauke gab sich einen Ruck. »Es gibt noch eine
traurige Pflicht zu erfüllen. Thomas Tuchtenhagen glaubt immer noch, dass seine
Frau nur entführt wurde.«
»› Nur‹ klingt fast ein wenig zynisch«, gab
Madsack zu bedenken.
»So schlimm eine Entführung für die Angehörigen auch
sein mag, bleibt doch immer noch ein Funke Hoffnung. Jetzt muss jemand
Tuchtenhagen informieren.«
»Der ist doch flüchtig. Wir können ihn gar nicht
benachrichtigen«, warf Madsack ein.
Möglicherweise hatte der Kollege recht, dachte Frauke.
Trotzdem war es eine menschliche Verpflichtung, den Mann zu suchen.
»Ich übernehme das«, sagte sie.
»Danke«, sagte Madsack. Ihm war die Erleichterung
deutlich anzusehen.
»Wo steckt eigentlich Bernd Richter?«
Madsack schüttelte den Kopf, dass das Doppelkinn in
Bewegung geriet.
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht mehr gesehen,
seit wir aus dem Verhörraum gekommen sind.«
»Ich denke, wir kommen auch ohne ihn aus.« Frauke sah
Madsack dabei fest an.
Der wich ihrem Blick aus und sah auf seinen Bildschirm.
»Ich werde dann auch Feierabend machen«, sagte er.
Sie gingen gemeinsam zum Parkplatz hinter dem Haus und
stiegen in ihre Fahrzeuge.
Frauke hatte keine Mühe, das Haus des Ehepaars
Tuchtenhagen zu finden. Die Straße lag trotz der frühen Stunde verlassen da.
Niemand war zu sehen, kein Kindergeschrei oder Hundegebell zu hören. Anhand der
vielen Autos war aber ersichtlich, dass die Mehrheit der Bewohner zu Hause sein
musste. Sie fand erst ein Stück die Straße hinab einen Parkplatz und ging
gemächlich zum Haus zurück.
Der Vorgarten, der bei ihrem ersten Besuch am Montag
noch gepflegt ausgesehen hatte, wirkte vernachlässigt. Jemand hatte eine der
kostenlosen Werbezeitschriften vor die Tür gelegt. Das Blättchen hatte sich
durch den Wind aufgeblättert und lag nun auf der kleinen Grünfläche vor dem
Haus.
Frauke klingelte. Nichts rührte sich. Sie versuchte es
erneut. Doch niemand nahm von ihrer Anwesenheit Notiz. Sie legte ihren Finger
auf den Knopf und ließ es fortwährend läuten. Nach ein paar Minuten hörte sie,
wie ein Schlüssel gedreht wurde. Thomas Tuchtenhagens rotes Gesicht erschien im
Türspalt.
»Was soll das, verdammt!«, fluchte er. Dann erkannte
er Frauke. »Sie schon wieder. Ich habe keine Lust auf Unterhaltung.«
Deutlich roch Frauke den Alkohol, den Tuchtenhagen
getrunken haben musste. Seine Augen waren glasig, seine Sprechweise
schwerfällig.
Vorsichtig drückte sie gegen die Tür. »Ich muss mit
Ihnen reden.«
Er ließ es geschehen und trottete mit unsicheren
Schritten ins Wohnzimmer. Mit einem »Hups« auf den Lippen ließ sich
Tuchtenhagen in einen Sessel fallen. Auf dem Tisch standen eine halb volle
Cognacflasche und ein Wasserglas. Der Mann hatte sich nicht einmal der Mühe
unterzogen, einen Cognacschwenker hervorzuholen.
»Auch einen?«, brachte er mit schwerer Zunge hervor.
Es tat Frauke leid, aber Tuchtenhagen schien einer
behutsamen Erklärung nicht mehr zugänglich.
»Wir haben Ihre Frau gefunden.«
Tuchtenhagen, der erneut zur Flasche greifen wollte,
hielt mitten in der Bewegung inne.
»Was?«, schrie er.
»Manuela.«
Er stemmte sich mit beiden Händen auf den Sessellehnen
auf und versuchte, sich in die Höhe zu drücken, ließ aber wieder von seinem
Vorhaben ab.
»Ihre Frau ist einem Unfall zum Opfer gefallen.«
»So ein Blödsinn.« Tuchtenhagen tippte sich gegen die
Stirn. »Sie ist doch gar nicht Auto gefahren.«
»Ich spreche nicht von einem Verkehrsunfall.«
Der Mann lachte hektisch auf. »Dann kann sie ja gar
keinem Unfall zum – wie sagten Sie? – Opfer gefallen sein.« Erneut unternahm er
einen Versuch, zur Flasche zu greifen. Doch Frauke war schneller. Sie stellte
den Cognac außer Reichweite von Tuchtenhagen neben sich auf den Tisch.
»Sie hören jetzt auf mit dem Saufen. Ihre Frau ist
ermordet worden.«
Tuchtenhagen winkte lässig ab. »Kann nicht sein«,
lallte er und schien im ersten Moment erleichtert, dass es doch kein Unfall
war.
Dann erstarrte er. Es erschien Frauke eine Ewigkeit,
die ihr Gegenüber damit zubrachte, irgendwohin zu starren. Schließlich drehte
er den Kopf in Fraukes Richtung.
»Aber wieso denn?«, fragte er. »Warum sollte Manuela
ermordet worden sein? Und von wem?«
»Wir haben den vermutlichen Täter gefasst. Simone
Bassetti.«
»Der hat doch keinen Grund.« Tuchtenhagens Stimme
klang jetzt
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