Mord an der Leine
durch die Zähne.
»Und die in Goslar ist eine der prächtigsten. Wussten Sie, dass es der älteste
und am besten erhaltene Profanbau des 11. Jahrhunderts ist? Und die
Lieblingspfalz der Salier.«
»Wenn es damals so tüchtige Polizisten wie Sie gegeben
hätte, dann hätte der Adel sich nicht gegenseitig gemeuchelt. Und wären die
Salier an der Macht geblieben – womöglich wäre Goslar heute deutsche
Hauptstadt. Und? Was ziehen wir daraus für einen Schluss?«
»Keine Ahnung«, murmelte Putensenf.
»Hätte es damals schon weibliche Polizisten gegeben,
wäre die Aufklärungsquote besser gewesen. Das Patriarchat hat versagt. Daraus
können Sie folgern, dass die Männer schuld sind, dass Goslar nicht Hauptstadt
geworden ist.«
»Emanzengeschwätz.«
Sie hatten die B 6 verlassen und waren den
Weisungen des GPS gefolgt. Das
System leitete sie um den historischen Kern Goslars herum. Sie bogen von der
Hauptstraße am Fuß des Rammelsberges nach links ab und standen kurz darauf auf
dem Parkplatz vor dem beeindruckenden Bauwerk, vor dem zwei mächtige
Bronzelöwen postiert waren.
Ein Teil des Parkplatzes war abgesperrt. Davor standen
drei Streifenwagen und zwei zivile Pkw. Putensenf hielt hinter einem
dunkelblauen Ford Escort. Als sie ausstiegen, richteten sich die Blicke dreier
Männer auf sie.
»Guten Tag, LKA Hannover«, sagte Putensenf.
Ein drahtiger Mann mit rötlichem Kraushaar kam auf sie
zu und gab ihnen die Hand.
»Eder, Kripo Goslar.«
Putensenf und Frauke stellten sich vor und wurden mit
Eders beiden Kollegen bekannt gemacht.
»Wo hat Meister Eder seinen Pumuckl gelassen?«,
murmelte Putensenf halblaut, sodass nur Frauke es verstehen konnte.
»Waren Sie vorhin in Langelsheim?«, fragte Frauke.
Eder nickte. »An der ARAL -Tankstelle
und im Hotel. Es geht um Thomas Tuchtenhagen. Und nun ist er hier in eine
Schießerei verwickelt gewesen. Scheint ein schweres Kaliber zu sein.«
»Gibt es Opfer?«, fragte Frauke.
Eder schüttelte den Kopf. »Gottlob nicht. Die beiden
Beteiligten sind aber flüchtig.«
»Woher wissen Sie, dass es nur zwei waren?«
»Es gibt einen Zeugen.« Eder sah sich um und winkte
einem Mann mit einem mächtigen Bierbauch und einer von der Sonne verwöhnten Glatze
heran, der bei zwei uniformierten Polizisten stand.
»Das ist Herr Piepenbrink.« Er drehte sich zu dem
älteren Mann um. »Können Sie Ihre Beobachtungen noch einmal für die beiden
Kollegen wiederholen?«
»Klar doch. Also. Das war so. Meine Frau und ich, wir
sind von Hamburg und machen so ‘n lütten Törn durch ‘n Harz. Wir sind also hier
rauf und wollten in die Pfalz rein. Plötzlich hab’n wir geseh’n, wie sich zwei
in die Haare gekriegt hab’n. Erst ham sie sich angebölkt. Dann ist der Große
dem Itaker an die Wäsche. Er hat ihm glatt eine auf die zwölf gegeben. Mann,
das hättest du sehn müssen. Der andere ist dann weg – wie ‘n Wiesel. Hat sich
losgerissen und ist ausgebüxt.«
»Haben Sie mitbekommen, worüber die Männer gestritten
haben?«, fragte Frauke.
Piepenbrink machte einen bekümmerten Eindruck. »Nee.
Tut mir fix was leid. Hab nix gehört.«
»Und der Schusswechsel?«
Piepenbrink kratzte sich die kahle Stelle am
Hinterkopf. »Also. Richtig genommen war das kein Schusswechsel. Hat nur einmal
geknallt. Ich hab zuerst gar nicht mitgekriegt, was das war. Ehrlich. Dann hat
einer geschrien, dass da ‘ne Kugel in den Audi rein ist. Tja. Das war’s auch
schon.«
»Tuchtenhagen und der Unbekannte konnten entkommen.
Den Audi hat er stehen gelassen. Wir haben eine Fahndung ausgelöst«, erklärte
Eder. »Die Spurensicherung ist auch informiert. Es dauert eine Weile, bis die
aus Braunschweig hier sind. Es gibt noch weitere Zeugen, die aber auch nicht
mehr als Herr Piepenbrink berichten konnten. Wir nehmen die Personalien auf und
die Aussagen zu Protokoll. Außerdem haben wir Piepenbrink und zwei andere
gebeten, zwecks Erstellung einer detaillierten Personenbeschreibung aufs Revier
zu kommen. Wollen Sie dabei sein oder reicht es, wenn wir Ihnen die Unterlagen
nach Hannover mailen?«
»Das wäre prima«, bedankte sich Frauke.
Eder reichte ihr eine Visitenkarte. »Hubert Eder,
Kriminalhauptkommissar«, las Frauke.
»Ich kann mich leider nicht revanchieren. Wollen Sie
sich meinen Namen notieren?«
Eder sah sie irritiert an. Es wurde nicht besser, als
Frauke Putensenf nach der Durchwahl von Madsacks Apparatnummer fragen musste,
da sie noch kein eigenes Telefon hatte. Eder enthielt sich eines
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