Mord an der Leine
ich die Sachen rüber.«
»O ja«, stimmte Frauke zu und stand ebenfalls auf.
»Ich besorge uns inzwischen einen Kaffee.« Sie verschwieg Madsack gegenüber
ihre Verwunderung, da Richter erzählt hatte, die Dokumente würden beim
Übersetzer liegen.
Kurze Zeit später saßen die beiden Beamten über die
Papiere vertieft. Seite für Seite blätterten sie die Akten durch, bis Madsack
sich plötzlich zurücklehnte, dass der Stuhl quietschte. »Ich glaube, ich hab
etwas.«
Frauke unterbrach ihre Suche.
»Hier sind Lieferscheine. Teilweise auf Italienisch,
überwiegend aber Englisch oder Deutsch. Und mit ein wenig Phantasie versteht
man auch die italienischen Papiere. Manfredi scheint mit allem gehandelt zu
haben.« Madsack ließ die Papiere durch die Finger gleiten. »Obst, Wein,
Baumaterial, Gummidichtungen, Konserven und Fleisch. Ein echter Allrounder.«
»Der Mann hat ein Im- und Exportgeschäft betrieben.«
»Schon. Aber gewöhnlich sind kleine Unternehmen auf
irgendetwas spezialisiert. Hier, nehmen Sie dieses Beispiel.« Madsack hielt mit
Daumen und Zeigefinger ein Blatt hoch. »Da hat Manfredi einen ganzen Hafenkran
verkauft. Von Genua nach Porto Novo, das liegt im westafrikanischen Benin.«
»Und was ist daran auffällig?«, fragte Frauke.
»Solche Geschäfte kommen selten vor. Meistens hat er
etwas verkauft, das nie über Deutschlands Grenzen gekommen ist. Hier ist eine
ganze Fabrik von Paramaribo in Surinam nach Moroni verkauft worden.«
»Wo ist Moroni?«
»Das ist die Hauptstadt der Komoren. Die liegen vor
Ostafrika. Und Surinam liegt in Südamerika. Ein weiteres Beispiel? Ein
Empfänger in Port Louis auf Mauritius hat für eine runde Million Dollar
Eisenschrott aus dem ghanaischen Accra gekauft. Und bei jedem Deal hat Manfredi
kräftig verdient. Fast immer einhundert Prozent. Oder mehr.«
»Vielleicht war er besonders tüchtig und hatte gute
Verbindungen rund um den Globus«, sagte Frauke.
»Diese müssen aber gepflegt werden. Haben Sie schon
irgendwo die Buchhaltung entdeckt? Manfredi müsste ständig um die Welt gejettet
sein, um seine Geschäfte anzubahnen und abzuschließen. Sie verkaufen keine
ganze Fabrik am Telefon.«
»Dann sollten wir unsere Suche darauf konzentrieren«,
schlug Frauke vor. »Ich habe noch einen weiteren Punkt. Wenn er so viel in die
ganze Welt verkauft hat, dann muss es doch auch irgendwie transportiert worden
sein. Haben Sie dazu Papiere gefunden?«
»Nein«, gestand Madsack. »Ich habe nur die
Verkaufskontrakte entdeckt.«
Sie suchten weiter, bis Frauke nach einer weiteren
Stunde sagte: »Es macht wenig Sinn. Ich habe keine einzige Unterlage gefunden,
aus der hervorgeht, dass die Ware auch tatsächlich verschifft wurde.«
»Ich bin in der Buchhaltung zugange«, sagte Madsack.
»Auf den Konten fand ein reger Geldverkehr statt. Die Kunden haben brav und
termingerecht ihre Rechnungen beglichen. In Dollar und in Euro.«
»In Euro?«
»Ja. Wieso nicht?«
»Das ist doch außergewöhnlich«, sagte Frauke. »Ein
Geschäft, das zwischen zwei afrikanischen Staaten läuft, wird doch
üblicherweise in Dollar kontrahiert und nicht in Euro.«
»Stimmt«, pflichtete Madsack bei. »Das sollte man
annehmen. Dafür gibt es aber kaum Reisekosten und Spesen. Manfredi scheint
immer nur nach Italien gereist zu sein. Und das immer mit der Bahn. Oder dem
Auto.«
»Schließlich war er Italiener. Und hatte Flugangst.«
»Da ist es umso verwunderlicher, dass er Deals in der
ganzen Welt eingefädelt haben soll. Moment.« Madsack konzentrierte sich auf
einen Übersichtsbogen mit zahlreichen Zahlenkolonnen. »Das hier«, dabei tippte
er mit dem Zeigefinger auf das Papier, »ist eine betriebswirtschaftliche
Auswertung. Da sind unter anderem alle Kostengruppen zusammengestellt. Ich habe
nirgendwo Transportkosten entdecken können. Und die Buchhaltung hat er durch
Dr. Lauer und Partner ausführen lassen. Das ist eine in Hannover hoch
angesehene Steuerkanzlei.«
»Die sicher korrekt alles gebucht haben, was Manfredi
ihnen an Unterlagen zukommen ließ. Und wenn es keine Transporte gab, sind auch
keine Kosten entstanden.«
»Das würde ja bedeuten …« Madsack brach mitten im Satz
ab.
»Dass Manfredi die ganzen Verkäufe nur vorgetäuscht
hat. Wer soll das von hier aus prüfen? Und niemand interessiert sich dafür, ob
tatsächlich Ware von Ghana nach Mauritius geflossen ist. Umsatzsteuer oder
Einfuhrumsatzsteuer fällt nicht an, seine Erlöse hat er ordnungsgemäß
deklariert und die
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