Mord an der Leine
angetreten.
Wer glaubte schon einer »mannstollen« Frau, wie böse
Zungen hinter ihrem Rücken kolportierten? Aber das Kapitel »Dr. Starke« war für
sie noch nicht abgeschlossen.
Frauke schrak hoch, als ihr bewusst wurde, dass sie
eine ganze Weile ihren Gedanken nachgehangen hatte und dabei unkonzentriert im
fließenden Verkehr mitgeschwommen war. Sie gab sich einen Ruck und richtete
ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen auf der Autobahn.
In Derneburg verließ sie die Autobahn und wunderte
sich, dass offenbar doch zahlreiche Menschen in Hannover arbeiteten und in
dieser ländlichen Region wohnten. Zumindest ließ das der dichte Verkehr
vermuten.
Sie folgte der B 6 in Richtung Goslar und bog
in Haverlah von der Schnellstraße ab. Die nächsten zwei Stunden verbrachte sie
damit, die kleinen Orte dieser Gegend abzuklappern. Lutter am Barenberge erinnerte
sie an jene Schlacht, von der sie im Geschichtsunterricht gehört hatte. Andere
Ortsnamen waren ihr bisher fremd gewesen. Ringelheim, Groß Elbe, Upen, Klein
Mahner und so weiter. Merkwürdige Bezeichnungen gab es hier, wenn man heimische
Namen wie Klanxbüll, Langballig und Süderbrarup gewohnt war.
Auf den teilweise engen und schlechten Nebenstraßen
begegneten ihr nur wenige Fahrzeuge, und so legte sie zügig die Distanzen
zwischen den Orten zurück. In den kleinen Dörfern hielt sie Ausschau,
insbesondere nach den Gasthöfen. Hotels gab es kaum. Der Harhof erwies sich als
Ruine, und »Zur Ohlei« wurde schon seit mehreren Jahren angeblich renoviert,
wie ihr ein freundlicher Einheimischer erklärte.
Sie kurvte in konzentrischen Kreisen durch das Harzer
Vorland und hakte jeden Ort, den sie besucht hatte, auf der Karte ab. Über
irgendwelche Nebenstraßen erreichte sie Liebenburg, eine Gemeinde, die nach dem
Kartenmaterial ein zentraler Ort zwischen Goslar und Salzgitter sein sollte.
Nichts.
Es war eine Schnapsidee, sagte sie sich. Früher hätte
sie solche Aktionen nicht ausgeführt, auch nicht durch ihre Mitarbeiter
ausführen lassen, sondern als ineffektiv verworfen. Insgeheim ärgerte sie sich
über sich selbst, dass der ausgeprägt um den Erhalt seines Status bemühte Bernd
Richter sie so weit gebracht hatte. Mobbing-Bernd nannte sie den Teamleiter im
Stillen.
Auf der linken Seite lag eine große Domäne, dahinter
folgten zwei Weiher, die von der Straße in einem sanften Bogen umrundet wurden.
Sie folgte dem schmalen Asphaltband, das bergan führte, ließ eine kleine
unbedeutende Siedlung hinter sich und überquerte in einem Einschnitt einen
Bergkamm. In der Ferne musste der Saum des Harzes liegen, der in der Dunkelheit
aber nicht erkennbar war. Vor Frauke tauchten die Lichter des nächsten Ortes
auf. »Othfresen« stand auf dem gelben Schild.
Sie fuhr langsam am Gasthof vorbei und warf einen
Blick auf die davor parkenden Fahrzeuge. Nichts. Ein Bahnübergang markierte
schon wieder das Ende des Ortes. Nach einem Feldstück folgte ein unscheinbares
Gewerbegebiet mit einem Raiffeisenmarkt, einer Tankstelle und zwei
Lebensmittelmärkten.
In der Ferne konnte Frauke die Lichterkette der
Bundesstraße erkennen. Sie hatte beschlossen, ihre erfolglose Suche aufzugeben
und nach Hannover zurückzukehren, als sie auf der linken Straßenseite ein paar
Häuser sah.
»Hotel Terrasse Korfu«, las sie über einem
schmiedeeisernen Eingangstor, von dem eine Sonne lachte. Neben dem in die
Vorharzlandschaft passenden Gebäude mit der mediterran anmutenden Terrasse
befand sich ein griechisches Restaurant mit dem originellen Namen »Gasthaus zum
Posthof«. Links und rechts des vorgebauten Eingangs befand sich je ein Fenster,
vor dem Fahrzeuge parkten. Der rechte Wagen war ein Ford Focus Turnier mit
einem Münchener Kennzeichen, das typisch für einen bekannten Autoverleiher war.
Frauke bog nach links in die holprige Seitenstraße ab
und fand auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Parkmöglichkeit. Sie
überquerte die Fahrbahn und bemerkte das Etikett mit dem Strichcode links neben
dem hinteren Nummernschild. Auch daran war für Eingeweihte der Leihwagen
erkenntlich.
Es hatte den Anschein, als hätte Thomas Tuchtenhagen
in diesem kleinen Hotel Unterschlupf gefunden.
Hinter der Außentür fand sich eine Glastür, die auf
den Tresen des Lokals führte. Rechts stand ein Salatbuffet, während sich die
Tische vor den Fenstern und links am Tresen entlangzogen.
Tuchtenhagen saß mit dem Rücken zur Tür vor dem linken
Fenster und stocherte mit der Gabel in seinem
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