Mord au chocolat
das ganze Gesicht aus. In den Augen, einst sanft und haselnussbraun, glitzert plötzlich eine manische Intensität, die mich erschreckt. Jetzt sieht sie nicht mehr wie eine harmlose Töpferin aus, eher wie ein Psycho.
Unwillkürlich trete ich einen Schritt zurück. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, hierherzukommen. »Trotzdem haben Sie ihn geheiratet, Pam.«
»Ja«, bestätigt sie. »Wir lernten uns auf dem College kennen. Damals machte ich meinen Magister in Kunstgeschichte – ein wildes Mädchen, verrückt nach Drogen, Partys und sexuellen Experimenten. Owen arbeitete bei der Beratungsstelle für Studenten, ein richtiger Tugendbold, und ich dachte, ich würde so jemanden brauchen, um zur Ruhe zu kommen. Aber ich wollte nicht erstickt werden! Zwanzig Jahre lang wurde meine Kreativität unterdrückt, bis ich endlich den Mut aufbrachte, ihn zu verlassen. Ja, Sie haben recht, er bestand darauf, mein Porzellan mitzunehmen – mein schönes Porzellan. Nicht, weil es ihm wichtig war. Sondern weil er wusste, wie viel es mir bedeutete. Das nahm er mir weg, um mich zu bestrafen. Aber jetzt gehört es wieder mir, nicht wahr?«
»Nein. Weil das falsch ist. Ich lasse es nicht zu. Geben Sie mir den Wagenschlüssel.«
Aus den haselnussbraunen Augen fließen Tränen auf die Fetzenpuppen hinab. »Ich – ich...« Offenbar kann sie nichts anderes sagen.
»Kommen Sie schon, Pam.« Behutsam strecke ich eine
Hand aus. »Geben Sie mir den Schlüssel. Sicher können wir eine Einigung mit dem Staatsanwalt erzielen – das Syndrom einer geknechteten Ehefrau. Vielleicht wird man Sie in einem ähnlichen Institut unterbringen wie damals Martha Stewart, Amerikas beste Hausfrau. Dort konnte sie sich ihrer Kunst widmen, und Sie würden weiterhin töpfern.«
Seufzend geht sie zu einer Kommode.
»So ist’s gut«, sage ich ermutigend, im gleichen sanften Ton, den ich anschlage, wenn ich magersüchtige Studentinnen zum Genuss der speziellen, kalorienreichen Muffins überreden will, die Ernährungswissenschaftler in die Fischer Hall schicken. Damit sollen sie sich stärken und ihre vitaminbedürftigen Spatzenhirne wieder auf Trab bringen. »Recht so...«
Aber als sie sich umdreht, hält sie keinen Schlüssel, sondern eine Pistole in der Hand. Und die zielt genau auf mich.
»Dachten Sie wirklich, ich hätte nur eine einzige Waffe, Heather?« Jetzt verziehen sich ihre Lippen wieder zu diesem gespenstischen Lächeln, das mir den Magen umdreht. »Ich bin ein Mädchen vom Lande und mit Waffen aufgewachsen. Also kann ich damit umgehen. Obwohl ich glaube, es wird den meisten Leuten viel zu leicht gemacht, sich zu bewaffnen.«
Unglaublich. Was für eine Heuchlerin! Ihr Sweatshirt ist eine einzige Lüge. Natürlich glaubt sie nicht an harmonischen Frieden zwischen den Rassen!
Oder vielleicht doch. Aber sie hat kein Problem damit, Menschen zu ermorden, was auch für die unschuldige Assistentin eines Fischer-Hall-Leiters gilt. Abwehrend hebe ich beide Hände. »Das wollen Sie nicht tun, Pam.«
»Doch«, widerspricht sie und tritt näher zu mir. »Wenn man Ihre Leiche findet, bin ich längst über alle Berge. Also fällt es mir nicht schwer, Sie zu erschießen.«
Instinktiv weiche ich noch einen Schritt zurück. Aber sie kommt immer näher. Ich schaue mich verzweifelt um. Heiliger Himmel, was soll ich tun? Nicht nur in seinem Büro, auch in seinem Apartment hat Owen für peinliche Ordnung gesorgt. Hier liegt nichts herum, im Gegensatz zu meiner Wohnung, nichts, was ich aufheben und meiner Angreiferin entgegenschleudern könnte, keine originelle Lampe in der Form einer Meerjungfrau, für ein paar Pennys auf dem Flohmarkt erworben, kein Terrarium voller Muscheln, das ich in Pams Richtung werfen könnte.
Nicht, dass ich sie treffen würde, aber es wäre besser als gar nichts.
Am schlimmsten ist, dass niemand weiß, wo ich bin, außer dem idiotischen Pförtner mit dem Zahnstocher. Der arbeitet nicht einmal fürs College, sondern für Rosetti. Er wird das Geräusch eines Schusses im sechsten Stock ebenso wenig bemerken wie die zahlreichen Goldketten seines Chefs, die nicht zu den ebenso zahlreichen Armbändern passen.
Also bin ich so gut wie tot.
Und wofür? Für Owen.
Den mochte ich nicht einmal.
Trotzdem, ich muss es versuchen. »Hier sind wir nicht in Iowa, Pam. Jemand wird den Schuss hören und die Bullen rufen.«
»Ich bin aus Illinois«, verbessert sie mich. »Und ich habe schon daran gedacht.« Sie greift zum Telefon, das neben
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