Mord auf Bali: Ein Urlaubs-Krimi (German Edition)
Dankeschön heraus. Sie setzte sich kurz in die Empfangshalle und überlegte. Dort standen überall Sofas und Sessel. Kaum ein Tourist war um diese Uhrzeit hier. Sie waren entweder schon zu einem Ausflug aufgebrochen oder Sie lagen am Strand oder am Pool.
Doris dachte über ein paar Dinge nach. Über Andreas Rauscher, der ihr heute Nacht mit seinem Albtraum einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte und der jetzt schon wieder unterwegs war zu dieser Puglug, um mit ihr Madé zu besuchen. Sie bewunderte seinen Einsatz in dieser Sache, er könnte ja auch einfach die Füße hochlegen und den Rest der einheimischen Polizei und Kommissar Padang überlassen.
Dann dachte sie über sich und ihr Leben nach. Sie war traurig. Einerseits war der Tod ihres Bruders kein wirklicher Verlust. Andererseits war er der Letzte – außer ihr selbst – der noch zur Familie gehörte. Sie war nicht gerade die Sentimentalste. Ein bisschen Trübsinn ergriff sie bei diesen Überlegungen aber doch. Sie hatte es nicht fertig gebracht, eine eigene Familie zu gründen, einen Mann zu lieben, ein Kind zur Welt zu bringen.
Doris war vorbelastet, was Männer anging. Das, was ihr Bruder ihr angetan hatte, würde sie nie ganz verwinden können. Und das Schlimme war: Sie konnte mit niemandem darüber reden. Das würde ihr sowieso keiner glauben. Aber seit dieser Sache damals hielt sie sich fast vollständig fern von Männern. Und auch danach war jede Beziehung zu einem Mann davon geprägt: Sie mochte Sex, scheute aber eine enge Bindung. Ihr Bruder war ein Schwein, und er hatte ihr Leben versaut. Sie konnte sich davon einfach nicht lösen. Zu tief saß der Schmerz – immer noch.
Mit neununddreißig Jahren stand sie vor dem Nichts. Sie hatte gerade den letzten Familienangehörigen verloren, eine Morddrohung erhalten, sollte eine Million beschaffen und bekam keinen Rückflug. Doris Maurer machte sich klar, dass es, angesichts dieses verpfuschten Lebens und der derzeitigen Lage, eine Kunst war, nicht depressiv zu werden und Selbstmord zu begehen. Aber komischerweise hatte sie daran noch nie gedacht. Sie war eine Kämpfernatur. In ihr steckte eine Mentalität, die sie immer wieder darin bestärkte, aufzustehen, zu fighten und trotz oder gerade wegen aller Beschwernisse weiterzumachen. Sie ließ sich nicht so leicht kleinkriegen, und genau das gab ihr Zuversicht.
„Jammern hilft nichts“, sagte sie sich und spazierte eine Runde durchs Hotel. Vorbei am Health-Center und an den Konferenzräumen, an der Wäscherei und dem Fotoladen, an der Drogerie und dem Postamt. Die Außenanlage betrachtete sie teilweise von innen. Zum Beispiel die leeren Tennisplätze und einen Teil der Golfanlage, auf der nur ein Pärchen spielte. Auf dem Rückweg ins Zimmer von Andreas Rauscher ging sie in einem Seitengang auf Toilette. Als sie ihr Geschäft erledigt hatte, entriegelte sie die Tür, machte sie auf, ging hinaus und wollte sich die Hände im Nebenraum waschen. Da geschah es. Jemand musste ihr gefolgt sein. Denn plötzlich legte jemand seine Hand von hinten über ihre Augen und hielt ihr eine eiskalte Klinge an den Hals. Sie war geschockt und brachte keinen Piep heraus.
„Hallo Verehrteste. Nur einen Ton, und es ist aus. Hast du das Geld besorgt?“
Doris Maurer wimmerte ein wenig, brachte aber nur ein leises „Nnn … nnein, w … wel … welches Geld denn?“ heraus.
„Schätzchen, jetzt hörst du mir mal gut zu.“ Der Kerl drückte die Klinge fester an ihren Hals.
„Wenn du glaubst, du kannst mich verarschen, dann irrst du dich. Ich spreche von dem Geld, das uns dein feiner Bruder schuldet, die miese Ratte. Wir haben es zusammen verdient, und er hat es eingesteckt. Nicht mit uns, Süße. Du hast die Wahl: Entweder du besorgst das Geld hier auf Bali, dann bist du uns bald los. Oder wir sehen uns in Deutschland, dann hast du noch länger das Vergnügen. Verstanden?“
Doris Maurers Schock war so groß, dass sie die Besinnung verlor. Die Beine glitten weg, ihr wurde schwarz vor Augen und sie rutschte dem Kerl aus den Händen.
Erst drei Stunden später wurde sie gefunden – von einer Putzfrau. Die Toilette wurde selten bis gar nicht benutzt, denn die meisten Gäste gingen auf die eigene in ihren Zimmern. Niemand war in der Lage, die genaue Uhrzeit der Tat zu rekonstruieren. Ein Arzt kümmerte sich um Doris Maurer, die erst nach weiteren dreißig Minuten wieder zu Bewusstsein kam.
2.
Puglug führte Rauscher, nachdem er sie im Health-Center abgeholt hatte,
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