Mord auf Bali: Ein Urlaubs-Krimi (German Edition)
A4. Darauf waren einzelne Buchstaben aus Zeitungspapier geklebt. Er nahm ihn und las: “Dein Bruder schuldet uns 1 Million. Du wirst uns das Geld besorgen. Wir geben dir zwei Tage. Mach keinen Fehler, sonst geht’s dir wie ihm. Du hörst von uns.“
Hilflos schluchzend schnäuzte sie wieder in ein Taschentuch. Rauscher setzte sich neben sie auf die Couch und fragte:
„Eine Vermutung, von wem der ist?“
„Nö.“
„Eine Ahnung, wem dein Bruder soviel Geld schulden könnte?“
„Nee.“
„Hast du gewusst, dass er soviel Geld besitzt?“
„Nö.“ Rauscher schüttelte den Kopf und brüllte:
„Schöne Scheiße. Wir müssen Padang informieren. Ich treffe ihn nachher. Wie bist du eigentlich hier reingekommen?“
„Der … der … Rezeptionist hat mir aufgeschlossen. Ich … ich … habe ihm gesagt, dass ich auf keinen Fall zurück … zurück in mein Zimmer gehe. Dann hat er nachgegeben und aufgemacht.“
„Du kannst vorerst hier bleiben, wenn du willst.“
Rauscher verspürte Appetit und sagte:
„Ich bestelle was zu essen und zu trinken. Magst du auch was?“ Doris Maurer wollte ein Sandwich, einen Shrimps-Salat und zwei Dosen Bier. Er bestellte für sich das gleiche. Sie beruhigte sich zusehends. Dann sagte sie:
„Das Geld kann ich nicht besorgen, weil ich es nicht habe.“
„Schon klar. Wie lange hattest du eigentlich vor, hier zu bleiben?“
„Eigentlich wollte ich noch zehn Tage Urlaub dranhängen, wenn ich schon mal hier bin. Eigentlich. Bis vorhin. Meine Aufgabe habe ich erledigt. Meinen Bruder identifiziert und mich um die Überführung der Leiche gekümmert. Aber jetzt nach dem Brief. Ich habe richtig Angst bekommen. Morgen versuche ich, einen Rückflug zu kriegen. Obwohl das schwierig wird. Die haben sämtliche Flüge zusammengestrichen, weil so wenig Touristen hier sind. Und wer so kurzfristig einen Flug haben will, der muss schon Glück haben.“
„Wie hast du denn den Brief erhalten?“
„Er wurde hinterlegt an der Rezeption. Heute morgen ganz früh. Ich habe ihn dann so gegen halb elf gelesen und den Rezeptionisten gefragt, wer ihn hinterlegt hat. Es war ein balinesischer Junge, so um die zehn.“
„Den finden wir nie. Er ist wahrscheinlich der Einzige, der den Erpresser gesehen hat.“
Es klopfte. Das Essen.
Rauscher schwieg und legte sich nach dem Essen aufs Bett. Längere Zeit lag er einfach da, die Augen offen. Sein Kopf war leer. Er dachte an nichts. Ein Zustand der Schwerelosigkeit umgab ihn. Er hörte Doris Maurers leises, gleichmäßiges Atmen. Sie war eingeschlafen.
Wie sollte es jetzt weitergehen? Der Fall wurde von Tag zu Tag komplizierter. Rauscher hatte Angst, dass Doris Maurer etwas zustieß. Gleich würde er Padang informieren.
Dann tippte er eine SMS an Lena: „Hallo Sweetheart. Es kommt Bewegung in die Sache. Mehrere Verdächtige. Ein Drohbrief. Nur das Motiv fehlt noch. Und was sonst noch fehlt, steht auch fest: Du fehlst mir und zwar ganz gewaltig.“
3.
Haarscharf vorbei, dachte Rauscher, als er Frau von Talheim vom Balkon aus in ihrem knappen, roten Bikini am Pool beobachtete. In diesem Alter sollten manche Frauen etwas mehr Rücksicht auf ihre Umwelt nehmen. Gewisse üppige Rundungen ließen sich selbst durch mehrmaliges Fettabsaugen nicht vollständig kaschieren. Und außerdem gehorchten auch die Brüste in einem fortgeschrittenen Alter zunehmend den Gesetzen der Schwerkraft. Das sah man der Gucci-Frau deutlich an.
„Grenzt ja an Körperverletzung“, sagte Rauscher zu Doris Maurer, die neben ihm saß, deutete hinunter auf Frau von Talheim und schüttelte den Kopf. Doris Maurer zeigte ein schönes Lächeln. Das erste heute.
Die heiße Luft vibrierte vor sich hin. Der Uhrzeiger tickte dem Nachmittag entgegen. Frau von Talheim flirtete an der Poolbar mit Rusli. Sie machten Witze und hatten Spaß. Rauscher verstand allerdings nicht, was sie redeten. Es war zu weit weg. Vielleicht ihr neustes Opfer, dachte Rauscher. Er hatte neulich schon davon gehört, dass viele Australierinnen wegen der balinesischen Männer hier Urlaub machten. Der ganz normale Sextourismus, nur andersrum.
Die Verabredung mit Padang war für sechzehn Uhr angesetzt. Bis dahin machte Rauscher Doris Maurer mit Göttin Shiva bekannt. Er hatte sich einen kleinen Teller besorgt und darauf einige Scheiben Ananas, einige Stücke Papaya, eine Banane, einige grüne Blätter, einen gekauten Kaugummi und eine halbleere Zahnpastatube gelegt.
„Na, über diese Opfer wird sich Göttin
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