Mord auf Bali: Ein Urlaubs-Krimi (German Edition)
Überfall auf Doris Maurer. Schnell rannte er hoch zu seinem Zimmer. Ein Wachpolizist war davor postiert, der ihn jedoch hineinließ. Als er das Zimmer betrat, zuckte Doris Maurer kurz zusammen und öffnete die Augen. Sie lag zugedeckt auf der Couch, ein nasses Tuch auf der Stirn. Der Arzt hatte ihr eine Beruhigungsspritze verpasst. Auf seine Frage, wie es ihr gehe, meinte sie, den Umständen entsprechend. Sie schlug die Augen zu und versuchte, ein wenig zu schlafen. Anscheinend wirkte die Spritze. Rauscher begab sich hinunter, um die Toilette zu inspizieren. Zwei Polizisten trieben sich davor herum. Rauscher trat ein. Zuerst kam er in ein Vorzimmer. Links ein schmaler Gang, geradeaus eine weitere Tür, rechts Waschbecken und Spiegel. Dann ging er durch die Tür. Auf den Fliesen am Boden war etwas roter Gummiabrieb zu sehen, vielleicht hatte der Täter Gummibadelatschen an. Er sah zwei Toilettenkabinen links, dahinter einen größeren freien Raum. Der Täter war wohl Doris Maurer auf die Toilette gefolgt, hatte sich dort hinten versteckt, gewartet bis sie aus der Kabine kam und zugeschlagen. Kein Spiegel hier drin, worin sie ihn hätte erkennen können. Rauscher verließ die Toilette und ging wieder hoch ins Zimmer.
Er suchte die Flip-Flops von Doris Maurer, fand sie unter der Couch und stellte fest, dass sie rot waren. Mist, dachte er.
Dann setzte er sich auf den Balkon und rief leise nach Shiva. Nichts zu sehen und nichts zu hören von der Göttin. Es war noch nicht ihre Zeit. Er ruhte eine Minute und wollte wieder aufstehen, doch eine bleierne Müdigkeit überfiel ihn. Schwerfällig sackte er zurück in den Sessel und schlief sofort ein.
Doris Maurer weckte ihn. Sie sah hübsch aus, hatte verschlafene Augen, aber machte sonst einen passablen Eindruck.
„Wie geht’s dir?“, fragte Rauscher.
„Geht schon wieder.“
„Ich bin richtig sauer. Bevor hier noch mehr passiert, erzählst du mir jetzt, was da früher eigentlich los war zwischen dir und deinem Bruder – und zwar alles.“
Doris Maurer setzte sich auf die Couch, zog die Beine an und umschloss sie mit den Armen. Sie blickte Rauscher an wie ein kleines Kind, und eine erste Träne rann ihr die Wange hinunter.
„Schon gut, ich erzähl‘s dir ja. Eigentlich wollte ich diese alten Geschichten ruhen lassen. Sie waren so schön verborgen in meinem tiefsten Innern. So weit weg, dass ich in den letzten Jahren nicht mehr daran denken musste. Und jetzt kommt alles wieder hoch. Er macht mich sogar noch nach seinem Tod fertig, das Schwein. Aber ich weiß auch nicht, was das mit dem Mord zu tun haben könnte. Nun gut.“
Sie nahm ein Taschentuch und putzte ihre Nase. Tränen tropften aus ihren Augen, eine plumpste auf ihr Shirt.
„Das lass bitte meine Sorge sein. Alles, was Maurer betrifft, kann wichtig sein. Also …“
„Also mein Bruder war schon immer ein sehr bestimmender Mensch. Wenn er eine Meinung hatte, galt keine andere. Als ich zwanzig war, also vor fast zwanzig Jahren, gab es einen Vorfall bei uns in der Familie. Ich hatte damals einen Freund, einen Araber. Das durfte keiner wissen. Er brauchte Geld. Und in meinem jugendlichen Leichtsinn verkaufte ich einen Teil des Familienschmucks. Wie ich erst später erfuhr, ging es um Drogen. Die Polizei hatte eines Nachts mein Auto angehalten und fand auf dem Beifahrersitz in einer Tüte, die mein Freund da vergessen hatte, über zehn Gramm Marihuana. Ich versuchte alles, damit meine Eltern nichts davon erfuhren, und es gelang mir auch. Damals wohnte ich noch zu Hause und unterschlug die Post und so weiter. Das Strafmaß war milde, ich bin noch nicht mal vorbestraft. Ein Kumpel von Horst arbeitete bei der Polizei, und der wurde auf den Fall aufmerksam. Als er meinen Namen in den Akten las, erzählte er Horst davon, und der kam mir so auf die Schliche. Und dieses Schwein von einem Bruder erpresste mich damit, alles unseren Eltern zu erzählen. Was das für mich bedeutet hätte, war klar. Du musst wissen, dass wir einen sehr konservativen Vater hatten. Er hätte mich sofort rausgeschmissen, mich enterbt und wahrscheinlich nie mehr ein Wort mit mir geredet. Erstens, weil ich mit einem Ausländer zusammen war, und zweitens, weil Drogen für ihn so ziemlich das Letzte waren, was er toleriert hätte.“
Sie schniefte wieder in das Taschentuch, holte Luft und setzte wieder an:
„Seitdem hatte mich mein Bruder in der Hand. Ich war gezwungen, ihm jahrelang hörig zu sein. Anfangs ging das noch. Mein Bruder
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