Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
nicht, ob sie es tatsächlich gehört hatte. Aber dann fiel etwas um, und dem folgte ein unterdrückter Fluch. Das hatte sie ganz sicher gehört, vielleicht war jemand eingestiegen?
Sie würde nachsehen.
Althea war zu langsam, die explosive Mischung war schuld, und jetzt hatte sie auch noch Schluckauf. Beschwören wollte sie es nicht, aber sie glaubte, jemand war die Treppen hinaufgelaufen. Jemand Flinkes. Und ihr fielen nur Leonie und Susanne ein, die beiden Novizinnen. Die meisten Schwestern waren weder flink noch leichtfüßig, und sie gerade auch nicht.
»Heu-te ni-icht«, hickste sie. Sie überprüfte, ob alles verschlossen war – oder besser: ob diejenige nichts offen gelassen hatte. Es war alles, wie es sein sollte.
Der Tod kommt durch keine Tür, dachte Althea schweren Herzens.
Zetas Sterben konnte sie nicht verhindern, aber vielleicht ein anderes – das der alten Eiche. Ein erhabener Baum, der seine ausladenden Äste über die Mauern hinwegstreckte. Er durfte nicht verloren sein. Constanze Heiß hatte womöglich eine Antwort. Immerhin war es ihr Fachgebiet.
Die Küche musste noch aufgeräumt werden, und danach wäre Althea wieder verschwunden.
Sie hörte die Sterbeglocke. Zeta hatte ihren letzten Atemzug getan, für sie war der irdische Weg zu Ende.
Althea schaute zur Kerze auf dem Fensterbrett hinüber, die sie ihr versprochen hatte. Heloise hatte Althea ein altes langweiliges Ding mit einem schlauen Spruch andrehen wollen, aber sie hatte sich lieber für etwas Buntes entschieden.
Sie kniete nieder und sprach ein Gebet für die Äbtissin.
»Du hast sogar in meinem Socken ein bisschen Schönheit erkannt.« Althea schmunzelte. Ihr selbst fiel ein solches Erkennen schwer.
Es war Zeit, einen Blick in das Tagebuch zu werfen, was sie zuvor nicht hatte tun wollen.
Althea griff in ihren Beutel mit dem Strickzeug. Ihre Finger schlossen sich um das Buch, aber da war noch etwas anderes, Filigranes. Sie leerte den Beutel aufs Bett. Für einen Augenblick vergaß sie, Luft zu holen. Vor ihr lag die Pergamentrolle.
»Das also ist deine Sünde, die du mir aufgebürdet hast.« Zeta hatte gesagt, sie musste es tun. Althea entrollte vorsichtig das kleine Stückchen Pergament. Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache aus dieser Zeit waren in etwa so ungenügend wie ihr Latein, und hätte die alte Kath ihr nicht veranschaulicht, was sich in der Büßerzelle zugetragen hatte, dann wüsste sie jetzt nicht, was hier niedergeschrieben worden war.
Ulrika, Hildeburg und Theresia bekannten ihre Schuld, zum Johannismond im Jahre des Herrn 1675 Margarete von Enzensdorf wegen ihrer Schlechtigkeit und ihrer bösen Absichten dem Tode überantwortet zu haben. Möge der Himmel uns vergeben!, hieß es da, und darunter fanden sich die Unterschriften der Schwestern und ein Siegel.
Althea überlief es kalt. Zeta hatte ihre Vergebung erbeten, und sie hatte sie der alten Schwester gewährt. Wer war diese Margarete von Enzensdorf gewesen? »Und was habe ich dir vergeben?«
Jetzt hatte Althea das Rätsel um die verschwundene Pergamentrolle gelöst, doch was sollte sie damit anfangen? Sie konnte das Pergament nicht zurückgeben. Es trug das Geständnis eines Mordes.
3
Papst Gregor III.
Am 18. März 731 zum Papst ernannt. Er sandte dem byzantinischen Kaiser Leon III. ein Mahnschreiben und forderte ihn auf, von der Vernichtung religiöser Bilder Abstand zu nehmen. Der Kaiser ließ den päpstlichen Boten in den Kerker werfen, woraufhin ihm der Papst mit dem Bann drohte.
28. November
Winterliche Spannung auf Frauenchiemsee. Heute wird die Mumie, die in der alten Klostereiche steckte, abtransportiert. Sonst gibt es nichts Spektakuläres, und über Glatteisunfälle zu berichten, wo doch die Wettervorhersagen auch in den kommenden Tagen keine Besserung sehen, wäre Panikmache. Passt einfach ein bisschen besser auf, dann passiert auch nichts, empfahl der morgendliche Berichterstatter.
»Ich hätte da schon noch was für dich«, sagte Althea, der bereits am frühen Morgen das baldige Eintreffen des Archivars im Kopf herumspukte. Sie brauchte ein gutes Versteck für die Pergamentrolle.
Agathe, die eigentlich Margarete hieß, würde das Kloster verlassen, und Zeta in der Kapelle aufgebahrt werden.
Althea wollte noch einmal mit den Forschern sprechen. Den Grund dafür konnte sie Jadwiga schmackhaft machen, denn diesmal müsste sie nichts anderes vorschieben.
Obwohl – die Stiefel waren ebenso nötig gewesen, und sie war froh, die
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