Mord auf Frauenchiemsee - Oberbayern Krimi
will Karl Winterurlaub machen.« Sein Gesicht sagte Althea, was er davon hielt.
Die Augen des Blonden leuchteten, als er den Kuchen entdeckte. »Danke«, sagte er grinsend.
Althea wollte gerade zu einigen Fragen ansetzen, nicht zuletzt zum Gemälde von Valentin Zeiser, als Jadwiga auf sie zugelaufen kam. Die Priorin hatte ihr Ordensgewand auf einer Seite angehoben, um schneller zu sein. Nonnen rannten höchst selten und vor Publikum schon gar nicht.
»Schwester Althea – bitte schnell, es geht um Leben und Tod.«
* * *
Es ging ihr gestern noch ganz gut, wollte Althea sagen, aber gestern war nicht heute. Sie schaute in Zetas fiebriges, schweißbedecktes Gesicht. Auf ihrer Stirn lag ein Waschlappen, und eine der Schwestern war dabei, ihr Wadenwickel zu machen. »Sie hat nach dir gefragt. Panisch. Sie sagte, sie könne nicht sterben, solange sie nicht mit dir gesprochen hat.« Jadwiga nahm Schwester Heloise am Arm und flüsterte mit ihr.
Althea setzte sich an den äußersten Bettrand und nahm die Hand der alten Nonne. »Du stirbst nicht, Zeta, hörst du? Du hast gesagt, du wirst dich bemühen. Also bemüh dich.« An Zetas Bitte dachte sie augenblicklich nicht, auch nicht an das Tagebuch. Sie wollte sich nur nicht so verabschieden – oder verabschiedet werden.
»Althea … endlich.« Es war ein leises Hauchen.
Jadwiga bedeutete ihr, sie würden sie mit Zeta allein lassen. »Was sie sagen will, ist nur für dich bestimmt. Wenn es zu Ende geht … ich lasse besser Pfarrer Müller rufen.«
Blasius Müller, ein Ruhestandspfarrer. Vor einiger Zeit hatte er von seinem Vorgänger die Kuratie Frauenwörth übernommen und als Spiritual die Abtei Frauenchiemsee. Althea fand, der Mann hielt ziemlich große Stücke auf sich.
Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie die alte Schwester so vom Sterben abhalten. »Es ist doch gleich Weihnachten«, übertrieb sie. »Bitte halt durch … noch ganz, ganz lange.«
Aber Zeta schien sie nicht zu hören. »Es war nicht klug, gar nicht. Aber ich musste … es … tun.«
Althea unterbrach sie nicht.
»Nimm das Tagebuch«, bat die Äbtissin. »In der Schublade. Lies es. – Ich wollte doch so gern noch deine riesigen Adventssocken sehen. Bitte.«
Diese Bitte konnte sie ihr wenigstens erfüllen. »Ich bin sofort wieder da, mit den Socken«, versprach sie.
Draußen vor der Tür standen Jadwiga und Schwester Heloise.
Die Priorin warf ihr einen bangen Blick zu. »Oh Gott, der Pfarrer wird nicht schnell genug da sein.«
»Der Pfarrer vielleicht nicht«, sagte Althea. Im Nu war sie in ihrer Klosterzelle, griff sich den Strickbeutel und lief die Treppen wieder nach unten.
»Schwester Althea!« Das klang ungemütlich, trotzdem würde sie jetzt keine Erklärung abgeben. Zeta wollte gern ihre Strickerzeugnisse sehen, dann durfte sie das auch.
Jadwiga hatte kämpferisch das Kinn gereckt. »Der Herr Pfarrer sieht Nonnen in Bluejeans nicht gern.«
Darum ging es? Altheas Mundwinkel zuckten. Sie hatte sich bereits entschuldigt. »Mir gefallen Männer in Röcken auch nicht sonderlich«, sagte sie, machte die Tür zum Krankenzimmer auf und gleich wieder zu.
Zeta hielt mit beiden Händen ihr Tagebuch umklammert, dann legte sie es zur Seite. Sie hatte Abschied von ihren Erinnerungen genommen.
In den vergangenen paar Minuten war etwas geschehen – Zeta zitterte, als wollte sie noch die allerletzte Lebensenergie mobilisieren.
»Finde die anderen Bücher. Du bist jetzt die Geheimniswahrerin. So wie ich es war.«
Althea wollte etwas sagen, aber um zu widersprechen, war es zu spät. Sie nahm den Waschlappen von Zetas heißer Stirn und malte mit dem Finger ein Kreuz darauf. »Ich verspreche es.«
Althea hörte ihre eigene Stimme. Hoffentlich versprichst du nicht zu viel. Sie legte Zetas Tagebuch in ihren Strickbeutel und nahm einen der fertigen Socken heraus. Bei dem hatte sie wenigstens schon die Fäden vernäht. Zeta strich über die feine Wolle. »Der ist schön geworden. Und die Übrigen werden es auch. Schade, dass ich verpassen werde, wenn die Socken fertig sind, und die Kerzen zum Advent nicht mehr brennen sehe.« Sie hustete, und die Anstrengung schien ihr sämtliche Kraft zu rauben. Den Socken hielt sie fest.
»Ich habe gesündigt … und es dir aufgebürdet. Bitte verzeih mir!« Zetas Stimme brach. Was meint sie?, fragte sich Althea und sagte ihrer Mitschwester, sie solle sich keine unnützen Gedanken machen, es wäre alles verziehen. Nur glaubte sie nicht daran, dass es um eine
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