Mord auf Raten
nicht gesagt. Aber ich nehme an, das hat mit den Vorbereitungen seiner großen Ausstellung zu tun, die angeblich eines der Topereignisse in diesem Jahr in Offenbach sein soll.«
»Und wie lange haben Sie gespielt?«
»Bis kurz vor halb acht, hinterher haben wir noch eine Viertelstunde oder zwanzig Minuten an der Bar gesessen und etwas getrunken.«
»Und dann?«
»Er ist so gegen zehn vor acht gegangen, weil er noch einen Termin hatte, der ihm offensichtlich nicht passte. Wir hatten deshalb auch gar keine Zeit zum Duschen, eben weil er so schnell wieder wegmusste.«
»Wissen Sie zufällig, um was für einen Termin es sich dabei gehandelt hat? Vielleicht sogar, mit wem er sich treffen wollte und wo?«
»Er hat nur gesagt, dass er noch mal in die Praxis muss. Aber mit wem er sich dort verabredet hatte, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Er hatte Prinzipien, und eine davon war Diskretion. Er war der diskreteste Mensch, den ich kenne.« Sie sah Brandt hilfesuchend an. »Mein Gott, warumausgerechnet er? Er war doch so ein liebenswürdiger Mann.« Und nach einer Pause: »Wie ist er denn gestorben?«
»Er wurde erstochen. Feige und hinterhältig erstochen«, antwortete Brandt.
»Und wo?«
»In seiner Praxis. Aber Sie sagten eben, dass ihm das offensichtlich gar nicht so recht war, diesen Termin wahrnehmen zu müssen. Hat er Ihnen das gesagt, oder vermuten Sie das nur?«
Zum ersten Mal huschte ein zaghaftes Lächeln über Denise Zinners Gesicht. »Er hat gesagt, dass es ihm stinkt, noch einmal in die Praxis zu müssen.«
»Aber er hat nicht gesagt, warum es ihm stinkt, oder?«
»Nein.«
»War er deswegen wütend oder aufgebracht?«
»So kann man das nicht sagen. Ich habe ihn sowieso nie wütend erlebt. Es hat nur irgendwie seinen Zeitplan durcheinander gebracht.«
»Und wann sind Sie gegangen?«
»Kurz nach ihm.«
»Sie sind nach Hause gefahren?«
»Ja, warum?«
»Nur so. Kann das jemand bezeugen?«
»Ich weiß zwar nicht, warum Sie mich das fragen, aber ich habe leider keine Zeugen, es sei denn, jemand aus der Nachbarschaft hat mich kommen sehen, doch das ist eher unwahrscheinlich. Mein Mann war fast bis Mitternacht im Büro, und auch heute werde ich ihn wohl kaum einmal zu Gesicht bekommen, weil Arbeit seine einzige große Liebe ist.«
»Dann können wir ja ganz offen sprechen«, sagte Brandt und beugte sich nach vorn. »Uns ist zu Ohren gekommen,dass Sie und Herr Kaufung nicht nur befreundet waren, wenn Sie verstehen. Können Sie uns dazu etwas sagen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wir sind von der Polizei, und es gibt sehr viele Vöglein, die singen. Sagen Sie nur ja oder nein.«
Sie zupfte verlegen an ihrem Taschentuch. Lauter kleine Flocken fielen auf den Teppich, was sie aber nicht weiter zu stören schien. Ihr Blick war zu Boden gerichtet, als sie antwortete: »Und wenn? Wäre ich dann gleich eine Verdächtige?«
»Also ja. Und wie lange ging das zwischen Ihnen schon?«
»Ein paar Monate. Und wir hatten uns für Dienstagabend verabredet, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
»Und Ihr Mann?«
»Was soll mit dem sein«, erwiderte sie mit einem verächtlichen Zug um den Mund. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass seine große Liebe die Arbeit ist. Ich glaube, der bumst sie auch.« Sie blickte erschrocken auf und fügte gleich hinzu: »Entschuldigung, war nicht so gemeint.«
»Schon gut. Was macht Ihr Mann beruflich?«
»Er ist Geschäftsführer eines großen Softwareunternehmens. Ständig unterwegs, und wenn er mal nicht unterwegs ist, verkriecht er sich in seinem Büro oder hier in seinem Arbeitszimmer. Dass er heute zu Hause ist, ist eine Ausnahme, denn morgen muss er schon wieder für eine ganze Woche weg«, sagte sie mit unverhohlener Bitterkeit in der Stimme. »Als wir geheiratet haben, habe ich mir unser Leben ganz anders vorgestellt, glauben Sie mir.«
»Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«
»Fünfundzwanzig.«
»Und Ihr Mann?«
»Genau zehn Jahre älter. Aber wenn er so weitermacht wiebisher, wird er nicht mehr lange leben. Er arbeitet wie ein Tier, qualmt wie ein Schlot und trinkt am Tag mindestens zwanzig Tassen Kaffee. Ich warte nur darauf, dass er irgendwann einen Herzinfarkt bekommt, damit er endlich einsieht, dass es so nicht weitergehen kann. Nicht, dass Sie denken, ich würde ihm das wünschen, aber das ist kein Leben. Wir haben Geld ohne Ende, aber … Nein, ich werde mein Leben leben, und wenn sich nichts ändert, bin ich irgendwann weg. Dann soll er schauen, wie er
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