Mord auf Raten
habe es einfach nicht geschafft, weil ich im Moment unter ungeheurem Zeitdruck stehe. Ab Ende September haben wir hier eine Ausstellung mit Gemälden und Fotografien von David Patterson …«
»Das haben wir bereits von Ihrer Frau gehört. Verzeihen Sie, aber Sie haben gestern um achtzehn Uhr neunzehn mit Dr. Kaufung telefoniert. Um was ging es dabei?«
»Ich weiß zwar nicht, warum Sie das wissen wollen, aber gut, ich habe ihm abgesagt. Ich hatte noch etwas zu erledigen und bin anschließend wieder hierher zurückgekommen.«
»Kann das jemand bestätigen?«
»Wieso fragen Sie mich, ob das jemand bestätigen kann? Das klingt ja gerade so, als stünde ich unter Verdacht, meinen besten Freund ermordet zu haben«, sagte Wedel lachend, wobei er erst Brandt, dann Eberl direkt ansah und keine Spur von Nervosität zeigte.
»Wir verdächtigen noch niemanden. Deshalb noch einmal meine Frage: Kann das jemand bestätigen?«
Wedel zuckte mit den Schultern. »Ich habe mir bei einem Herrenausstatter in der Goethestraße in Frankfurt eine Hose, ein Hemd und eine Krawatte gekauft und war um halb acht noch bei Hugendubel, wo ich mir ein Buch gekauft habe. Danach habe ich eine Kleinigkeit gegessen und bin, wie gesagt, wieder hierher zurückgekommen. Aber ich war die ganze Zeit allein, meine Mitarbeiterinnen haben bereits gegen achtzehn Uhr die Galerie verlassen. Ich kann Ihnen den Kassenzettel von Hugendubel zeigen, worauf auch die Uhrzeit vermerkt ist, wann ich dort war. Vom Herrenausstatter habe ich nur eine Quittung.« Er zog die mittlere Schublade seinesSchreibtischs heraus und reichte Brandt den Kassenzettel und die Quittung. »Mehr habe ich leider nicht zu bieten. Aber ganz ehrlich, weshalb sollte ich meinen besten Freund umbringen? Wie ist er überhaupt gestorben?«
»Er wurde erstochen. Und kein Mensch behauptet, dass Sie ihn umgebracht haben. Wir überprüfen zunächst lediglich die Alibis aller, die gestern mit ihm zu tun hatten. Und Sie haben ja ein Alibi, wie es aussieht.«
»Hören Sie, auch wenn ich mir das vielleicht nicht anmerken lasse, aber die Nachricht, dass mein bester Freund tot ist, ist für mich ein großer Schock. Ich würde auf den Schreck jetzt gerne einen Cognac trinken, wenn Sie nichts dagegen haben. Möchten Sie auch …«
Brandt winkte ab. »Wir sind im Dienst, und außerdem mag ich keinen Cognac. Sie haben also Dr. Kaufung gestern Abend nicht mehr gesehen? Sie sind auch nicht mehr zufällig so zwischen acht und neun durch die Parkstraße gefahren oder in seiner Praxis gewesen?«
»Was zum Teufel hätte ich denn dort gesollt?«, fragte Wedel sichtlich verärgert. »Dann hätte ich auch zum Tennis fahren können. Ich sagte doch schon, ich habe das Spiel platzen lassen, weil ich keine Zeit hatte. Sie wissen offensichtlich nicht, was für einen Aufwand es bedeutet, eine solche Ausstellung zu organisieren! Neben der normalen Arbeit, wohlgemerkt!«
»Beruhigen Sie sich wieder«, sagte Brandt mit stoischer Ruhe. »Wir müssen diese Fragen stellen, das ist Routine. Erzählen Sie uns etwas über Dr. Kaufung. Wie lange kannten Sie sich, was haben Sie so gemacht, was für ein Mensch war er, hatte er Feinde?«
Wedel schenkte sich einen Cognac ein und trank das Glas in einem Zug leer. Er stellte es auf den Tisch, ging ans Fenster, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und blicktehinaus auf den Garten, der von der Straße aus nicht einmal zu erahnen war. Wenn man an der Galerie vorbeiging, wo sich ein Haus unmittelbar ans nächste reihte, konnte man denken, dass sich auf der andern Seite ein düsterer Hinterhof befand oder ein alter Schuppen oder auch nichts außer Erde und Steinen oder ein Haufen Müll, aber diesen Garten vermutete wohl keiner. Ein gepflegter Rasen, ein paar Büsche und vor allem Rosen, die jetzt im gleißenden Licht der hochstehenden Sonne ihre Farbenpracht entfalteten. Das sind diese Stückchen Paradies, die kaum einmal jemand zu Gesicht bekommt, dachte Brandt, diese hübschen Fleckchen inmitten der Stadt.
»Wir haben uns vor knapp zehn Jahren kennen gelernt. Er hatte kurz zuvor seine Praxis aufgemacht, und meine Frau und ich haben einen neuen Arzt gesucht. Hier in Offenbach spricht es sich in gewissen Kreisen schnell herum, wenn ein fähiger Arzt ausgerechnet hier tätig wird. Sie wissen ja, dass er nur Privatpatienten behandelt hat, und eine bestimmte Klientel steht eben auf diese Sonderbehandlung, so wie meine Frau und ich. Nun, wir haben ihn ausprobiert und für gut befunden.
Weitere Kostenlose Bücher