Mord im Atrium
ein kleiner Knochen in ihrer Kehle ist gebrochen.« Ich fragte lieber nicht, wie ein Arzt das entdecken konnte. Vermutlich nicht dadurch, die Zunge runterzudrücken und den Patienten anzuweisen, ah zu sagen. »Es ist, als wären sie Vögel, denen man mal eben den Hals umgedreht hat«, sagte Scythax angewidert.
»Sonst noch etwas, was wir wissen sollten?« Petronius wurde allmählich neugieriger.
»Irgendwas Sexuelles?« Scythax wusste, was die Vigiles bei Mordfällen am meisten beschäftigte. »Nichts, was damit in Verbindung zu stehen scheint. Viele Landstreicher sind irgendwann vor ihrem Tod missbraucht worden, das versteht sich von selbst. Bei jenen, die sich eindeutig als entlaufene Sklaven identifizieren lassen, sind Anzeichen für langfristige brutale Behandlung praktisch die Norm.«
»Sind alle Leichen männlich?«, fragte ich.
»Gelegentlich auch Frauen. Und traurigerweise ein paar Kinder.«
Ich schaute zu Petro. »Ist diese große Bandbreite an Opfern nicht ungewöhnlich für einen Wiederholungstäter?«
Er nickte. »Ja, meistens haben sie es auf einen bestimmten Typ abgesehen – weiblich oder männlich, Erwachsene oder Kinder.«
Scythax warf ein: »Ich glaube, der gemeinsame Nenner besteht darin, dass die Opfer auf der Straße leben. Sie scheinen zur Bestrafung für ihren mittellosen Lebensstil ausgesucht zu werden. Jemand sieht sie schlafend unter Bögen oder in Hauseingängen liegen und beendet ihr Leben. Er – oder sie – könnte die Morde als Freundlichkeit rechtfertigen, sie aus ihrem Elend zu erlösen.«
»Sie notzuschlachten wie abgehalfterte Pferde?« Petronius war schockiert und wütend.
»Es sei denn«, sagte Scythax auf seine seltsame leidenschaftslose Art, »dieser Mörder hasst sie – betrachtet sie als eine Art menschliches Ungeziefer. Löscht sie für das übergeordnete Wohl aus.«
»Das ist ja noch entzückender. Wie soll ich diese selbsternannte Furie finden?«
»Halte nach jemandem Ausschau, der überzeugt davon ist, das Säubern der Straßen sei ein anständiger Beweggrund. Natürlich«, fügte der Arzt schüchtern hinzu, »musst du wissen, wo du mit dem Ausschauhalten anfangen sollst.«
»Io«, erwiderte Petronius mürrisch. »Fröhliche Saturnalien!«
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SATURNALIEN ,
FÜNFTER TAG
Zwölf Tage vor den Kalenden des Januar (21. Dezember)
LIV
D er fünfte Tag brachte eine Wendung.
Er begann gut. Wir saßen beim Frühstück, als von Petronius eine Nachricht für mich kam. Er hatte sich offensichtlich gestern Nacht an die Arbeit gemacht und Berichte gelesen. In einem Stapel von anderen Kohorten entdeckte er, dass die Dritte einen entlaufenen Sklaven aufgegriffen hatte, einen jungen Musiker. Petro hatte einen Läufer hinüber zur Dritten geschickt, der rasch mit der Bestätigung zurückgekommen war, dass sie den Flötenspieler von Quadrumatus eingelocht hatten. Er hatte nicht gestanden, aber als sie ihn schnappten, trug er eine Flöte bei sich. Die Dritte war nicht sehr helle, konnte jedoch I und I zusammenzählen, so dass es III ergab. (Laut Petro war III die einzige Zahl, die sie kannten.) Sie hatten die Flöte weggeschmissen. Ihr Tribun konnte Musik in den Zellen nicht ausstehen.
Ich war schon im Mantel und wollte gerade zum Wachlokal der Dritten aufbrechen, um den eingefangenen Sklaven zu verhören, als eine riesige Sänfte mit Goldknäufen an den Stangen auf der windigen Uferstraße vor meinem Haus auftauchte. Das Gold war abgeschabt, und die acht Träger waren eine schlaffe, schäbige Bande, die nicht im Gleichschritt marschieren konnte. Das Beförderungsmittel war Regierungseigentum, irgendein verschlissenes Überbleibsel aus dem kaiserlichen Transportmittelpark, herabgestuft seit der Zeit, als Claudius oder Nero darin herumgeschleppt wurden. Zwanzig Jahre später eignete es sich nur noch zum Verbrennen. Genauso altersschwach torkelten die Träger und setzten das Ding schwerfällig ab. Aus ihm hervor stolperte Claudius Laeta, und ich musste ihn zwangsweise begrüßen. Er holte mich zu einem Treffen ab. Laeta behauptete, es sei dringend. Ich wusste, dass das zwei Dinge bedeutete: Es war nicht dringend – und das sinnlose Geschwafel würde sich stundenlang hinziehen. Mein Tag war ruiniert.
»Ich hole meine Toga.« Helena erwischte mich bei dieser ungewöhnlichen Aktivität, also lockte ich sie mit auf den Ausflug. Das war nicht schwer. Nach unserer späten Rückkehr von Maia und Petro waren die Kinder übermüdet und quengelig. Sowohl Helena als auch ich
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