Mord im Atrium
eingetreten, da sich alle für das eigentliche Fest rüsteten. Ich schien fast die ganze Zeit allein zu sein.
Für Einbrecher und Straßenräuber war es zu kalt, wenngleich man sich darauf nie vollkommen verlassen kann. Gelegentlich hörte ich rasche Schritte von entschlossenen Säufern auf dem Weg zur nächsten Schenke oder langsamere, wenn sie von dort aufbrachen. Familiengeschäfte, deren Licht normalerweise die ganze Nacht brannte, hatten ihre Falttüren fest geschlossen. Möbelschreiner und Kupferschmiede hatten die Arbeit früh beendet. Nur wenige Karren mit Bauarbeitern waren noch unterwegs. Das war nicht die Zeit, ein leckendes Wasserrohr zu entdecken oder die Hälfte der Dachschindeln zu verlieren. Über die Saturnalien ruhen alle Arbeiten, was nicht daran liegt, dass Frost den Mörtel zerstört. Die meisten Händler für Baumaterial hatten bereits für verlängerte Betriebsferien geschlossen. Andere Lieferungen schienen auch nur flau zu laufen. Stattdessen hörte ich einen grausigen Chor von Besoffenen, die sich in einer Caupona selbst besangen. Das raubte mir jeden Wunsch, noch rasch auf einen Schluck einzukehren.
Ich war gezwungen, einen langen Heimweg auf mich zu nehmen. Anacrites’ schicker Schuppen stand am hinteren Ende des Forums, also musste ich um den Circus Maximus herum stiefeln. Ich entschied mich, am halbrunden Ende, das näher lag, quer durchs Tal zu stapfen, in Richtung auf den Fluss zu. Die Strecke vom Palatin zum Aventin ist eine echte Zumutung. Die gewaltige Rennbahn blockiert den Weg total, und ich wusste zufällig, dass das Einsteigen und Überqueren der gesamten Länge zwischen den beiden riesigen leeren Tribünen bei Nacht nur für die Jungen und Verrückten ein toller Jux ist. Ich war viel zu alt, die Nachtwächter zu umgehen. Irgendwo zu sein, wo man nicht sein durfte, war für mich nicht mehr mit dem gleichen Nervenkitzel verbunden. Dazu war ich schon zu oft im normalen Verlauf meiner Arbeit gezwungen.
Unter den Bögen der Aqua Marcia und Aqua Appia hindurch kam ich so nahe bei der Porta Capena heraus, dass ich die Gelegenheit ergriff, Helenas Familie einen Besuch abzustatten. Ich konnte damit prahlen, ihrem verlorenen Sohn bei Tag und bei Nacht nachzuspüren. Als ich von den Hauptstraßen auf meinem kleinen Umweg zum Haus des Senators abbog, das nahe bei den Aquädukten lag, kam ich durch eine dunkle Seitenstraße, in der mir Ärger zu lauern schien. Ich meinte gehört zu haben, dass jemand forthuschte, als ich um die Ecke bog. Dann stolperte ich über ein Paar Beine. Ich sprang zurück, und mir stellten sich die Nackenhaare auf.
Ich griff nach meinem Dolch, hielt aber inne. Die Gestalt auf dem Boden lag zu still. Das schien kein Hinterhalt zu sein, aber ich vergewisserte mich, dass kein Komplize aus der Dunkelheit hervorstürzte, um mich auszurauben. Vorsichtig streckte ich ein Bein aus und schob Lumpen mit dem Zeh beiseite. Der Mann war tot. Ich konnte keine Anzeichen für ein Verbrechen erkennen. Ein stinkender Vagabund, zu widerlich, um ihn näher zu untersuchen, war der Kälte und dem Hunger erlegen, elend zusammengesunken an einem Lorbeerbäumchen vor der abweisenden Tür eines Hauses.
Ich lauschte – Stille. Sollte ich Vigiles begegnen, konnte ich die Leiche melden. Entweder würden sie ihn wegkarren, oder der Hausbesitzer würde am Morgen den Verstorbenen entdecken und den zuständigen Ädilen informieren, dass etwas Unerfreuliches aus einer angesehenen Straße entfernt werden musste. Eine weitere arme Haut, ein weiterer entlaufener Sklave, ein weiterer Obdachloser hatte den Kampf ums Überleben verloren. Flöhe würden von ihm abspringen und sich einen neuen Wirt suchen, weshalb ich Abstand hielt.
Ich lockerte meine angespannten Schultern, lauschte erneut und ging dann weiter. Am Ende der Straße drehte ich mich um. Noch eine Nachteule in Mantel und Kapuze kam aus dem fernen Schatten, einen Esel am Zügel. Unwillig, mich länger aufhalten zu lassen, da ich doch keine Hilfe anbieten konnte, schlüpfte ich auf meiner Seite in den Schatten und verschwand, ohne etwas zu sagen.
Der Pförtner der Camilli war ein Blödmann mit langem Kopf, wenig Hirn und aufsässigem Gehabe, dessen größtes Vergnügen darin bestand, legitime Besucher abzuweisen. Er ließ sich Zeit, auf mein Klopfen zu reagieren, und behauptete dann, niemand sei zu Hause. Das hatte schon Tradition. Er kannte mich jetzt seit sechs Jahren, wusste, dass ich regelmäßig zu Besuch kam und mit Helena
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