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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schwitzen. Ein heftiger Schlag auf den Kopf vor mehreren Jahren hatte bei Anacrites eine permanente Schädelverletzung und die Neigung hinterlassen, in angespannten Situationen panisch zu reagieren. Er litt auch an Kopfschmerzen und einer veränderten Persönlichkeit. Und obwohl ich ihn bewusstlos zu meiner Mutter gebracht hatte, damit sie ihn gesund pflegte (wodurch er sie kennengelernt hatte, und das so gut, dass sie ihm nach wie vor ihre köstliche Suppe vorsetzte), konnte er sich nie darauf verlassen, dass ich den geistesgestörten Edelmut beibehielt, der ihm einst das Leben gerettet hatte. Ich trat in den Raum und ging um den Tisch herum. Anacrites versuchte sich zu entspannen. »Du hast überhaupt nichts gelernt. Setz dich nie mit dem Rücken zur Tür.« Er ließ den Löffel fallen. Ich bückte mich und küsste meine Mutter auf die Wange wie ein braver Junge. Sie funkelte mich misstrauisch an. »Also, Anacrites, was hast du dir dabei gedacht, Camillus Justinus zu verhaften?«, wollte ich in barschem Ton wissen.
    »Das können Sie doch nicht getan haben!«, rief Mama. Ich lebte auf, als ihn die Pfeile trafen. »Was hat er denn angestellt? Er ist so ein lieber Junge!«
    »Ein Missgriff des Palastes«, teilte ich ihr mit.
    Anacrites blickte finster. »Staatsangelegenheit«, blaffte er.
    »Staatliche Inkompetenz«, schnaubte ich zurück. »Der junge Camillus ist ein freier römischer Bürger. Niemand darf Hand an ihn legen.«
    Anacrites wollte zu seiner üblichen Prahlerei ansetzen, dass er alles tun konnte, weil er der Oberspion war, hielt sich aber zurück. Ich war ihm mit dem Gesetz gekommen. Es war verboten, einen Bürger zu inhaftieren. In Ketten gelegt zu werden verletzte die Rechte eines Freien. Quintus hatte das Recht, sich direkt an Vespasian zu wenden, falls er unsanft behandelt wurde, und für eine unrechtmäßige Verhaftung konnte er eine gewaltige Entschädigung verlangen. Anacrites’ offizielles Budget würde das nicht abdecken. »Hier geht es um die Sicherheit des Staates.« Seine Stimme wurde überheblich. »Wenn uns Barbaren bedrohen, müssen Freiheiten manchmal ausgesetzt werden.« Unaufrichtig fügte er hinzu: »Mir gefällt das ebenso wenig wie dir, Marcus.«
    Ich hatte ihm nie erlaubt, mein Praenomen zu benutzen. Im Haus meiner Mutter zu sitzen und seine hinterhältige Schnauze in einen Suppenteller zu stecken machte ihn nicht zu einem Teil meiner Familie.
    »Die Barbaren sitzen gemütlich in ihrem Wald. Deine angebliche ›Bedrohung‹ besteht nur aus einer einzelnen Frau. Sie muss verängstigt sein, und wir wissen, dass sie sich krank fühlt. Schöne Terroristin! Vergiss nicht«, warnte ich ihn mit einem anzüglichen Blick auf seinen Kopf, »dass ich weiß, wo deine Schwäche sitzt.« Seine rechte Hand fuhr hoch. Er strich sich das Haar zurück, als wollte er seinen einst durchlöcherten Schädel schützen, obwohl ihm klar gewesen sein musste, dass ich nicht auf seine Verletzung anspielte. Meine Mutter schüttelte missbilligend den Kopf. Ich grinste sie an. Wenn mein draufgängerischer Bruder so gegrinst hatte, war sie immer ganz kokett geworden, aber bei mir funktionierte das nicht. Ich werd’s nie lernen. »Also, alter Bursche, wir beide sind langjährige Weggefährten, besonders nach Leptis.« Leptis Magna, wo sich Anacrites außerhalb des Gesetzes gestellt hatte, war meine große Drohung. »Ich will dich nur in Kenntnis setzen, dass Justinus’ Vater plant, sich persönlich an seinen alten Freund Vespasian zu wenden. Es ist mir gelungen, den Senator bis morgen davon zurückzuhalten, aber wenn du deine Stellung nicht verlieren willst, solltest du deinen Gefangenen vorher rausrücken.«
    »Unmöglich …«
    »Übergib ihn mir lieber freiwillig.«
    »Falco, ich kann nicht …«
    »Du bist der Oberspion, du kannst alles tun, was du willst.« Er bewegte sich unruhig, während ich es genoss. Ironie ist der Freund des Privatschnüfflers. Spione mögen verschlagen sein, aber sie müssen sich selbst ernst nehmen. »Außerdem, was im Namen aller Götter willst du eigentlich von ihm?«
    Anacrites blickte zu meiner Mutter. Mama sprang sofort auf und rief beleidigt: »Oh, ich weiß, wann ich unerwünscht bin!« Sie fegte hinaus in ihr Schlafzimmer, dessen Tür bisher geschlossen gewesen war. Ich hatte gehofft, Mama hätte dort Ganna versteckt, Veledas Akolythin, um sie vor Anacrites verborgen zu halten. Zwei Tage waren vergangen, seit ich das junge Mädchen in Mamas Obhut gegeben hatte, und ich

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