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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ihm am liebsten Kathis Job angeboten. Der Mann war ein Geschenk für jede Befragung.
    »Da war so ein komisches Signal«, flüsterte der Bub.
    »Und dem bist du nach?«, fragte Vitus unendlich sanft.
    »Ja.«
    Das Donnergrollen war näher gekommen, die Sonne hatte endgültig verloren. Von Westen her wurde es immer schwärzer, im Süden lag ein galliges Gelb. Das verhieß nichts Gutes.
    Und plötzlich brach es aus dem Jungen hervor: »Ich war ganz nah, und dann hab ich das Signal verloren. Ich bin zum Bach nunter, da ist eine kleine Höhle, weil, weil ...«
    »Weil das ein Cache hätte sein können?«, fragte Irmi und hoffte, dass sie das mit dem Geocaching richtig verstanden hatte.
    »Ja, genau.« Der Junge begann zu weinen. Das war gut, das war sehr gut. Weit besser als die Erstarrung. Seibold nahm ihn wieder in den Arm.
    Irmi sah zu Vitus hinüber. Er schien dasselbe zu denken wie sie. Wie dankbar war sie, ihn an ihrer Seite zu haben bei diesem Gespräch.
    »Du warst nicht allein in der Höhle?«, fragte Irmi schließlich sehr sanft.
    Der Junge zitterte. Sein »Nein« war ein Hauch.
    »Kevin, es ist alles in Ordnung. Alles ist gut«, beruhigte Irmi ihn.
    »Du bist a tapferer Bursch, Respekt!« Vitus trat auf ihn zu. »Jetzt trink amoi wos.« Er reichte ihm eine Wasserflasche. Der Junge trank brav. Vitus nickte. »So, und jetzt gib mir die Hand. I bin der Vitus, Kevin. Wenn du amoi a Problem host, dann kimmst zu mir. Wenn i eins hob, dann kimm i zu dir. I hob's ned so mit Computer.«
    Ein Lächeln huschte über Kevins Lippen. »Mama auch.«
    Inzwischen schien auch Seibold begriffen zu haben, er war aschfahl im Gesicht.
    »Herr Seibold und Katja, geht ihr doch bitte schon mal ganz langsam mit Kevin Richtung Alm, ja? Herr Seibold, rufen Sie Ihre Frau an. Die muss ja ganz verrückt sein vor Angst. Alles Weitere klären wir später.«
    »Mein Rucksack ist da unten«, hauchte Kevin.
    »Den bringen wir mit«, sagte Irmi, und dann flüsterte sie Seibold noch schnell zu: »Fragen Sie ihn nichts. Lassen Sie ihm Zeit. Nur wenn er von sich aus redet.«
    Seibold nickte und legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes. Sie gingen los, Vater und Sohn. Katja kam hinterher.
    Vitus nickte Irmi zu. »Des wird ned schee.«
    »Hmm«, machte Irmi. »Hast du eine Lampe?«
    »Freilich.«
    Vitus hielt ihr ein paar Büsche zur Seite, ganz galant, so wie man eine Autotür aufhält. Vor ihnen lagen der Bach und auf der anderen Uferseite eine Felsspalte, die etwa fünfzig Zentimeter hoch war. Vitus hatte seine Lampe zwischen den Zähnen und robbte hinein. Irmi folgte. Drinnen konnte man sich wieder aufrichten.
    Gleich am Eingang stand der Rucksack. Vitus' Lampe irrlichterte über die Wände, über die Decke, dann über den Boden. Die Höhle mochte fünfzig Meter lang sein. Ganz hinten, am anderen Ende, war ein Bündel zu sehen. Sie traten näher. Mit jedem Schritt wurde der Geruch unangenehmer.
    Das Bündel war noch als Mensch zu erkennen, gerade noch. Irmis Magen rebellierte.
    »Der arme Bua«, murmelte Vitus.
    Draußen zuckte ein Blitz.
    »Kimm, mir miassn. Des wird gefährlich«, sagte Vitus und griff nach dem Rucksack des Jungen.
    Irmi wusste, dass Höhlen als Schutz vor Gewittern keine gute Wahl waren, weil sich der Blitz dort hineinverirren und sich vielfach an den Wänden brechen konnte, hin und her zuckend wie ein Derwisch.
    Ihr Kollege Hase würde nochmals kommen müssen, in dem Fall beneidete sie ihn nicht. Wieder erhellte ein Blitz den Himmel, der immer gelber wurde. Hochkonzentriert liefen sie Richtung Alm und holten auf dem Weg die anderen ein. Die Abstände zwischen Blitz und Donner wurden kürzer. Sie erreichten die Hütte in dem Moment, als ein gewaltiger Blitz niederfuhr und ein Böllerschuss die Almhütte erbeben ließ. Apokalypse, das himmlische Gericht – Irmi war weder besonders gläubig noch abergläubisch, aber die Natur gab ihr manchmal das Gefühl, sehr klein zu sein. Ihr schien, als wolle der Himmel den menschlichen Übermut in seine Grenzen weisen.
    Als sie in die Hütte traten, gab es Applaus. Iris von Gstalden lächelte Kevin an. »Da ist er ja, der Sportsmann. Hast du nicht Hunger?«
    Kevin nickte zaghaft.
    »Was magst du denn?«
    »Kaiserschmarrn?«
    »Super, den machen die dir sofort.«
    Draußen war Wind aufgekommen, die Hütte ächzte, irgendwo im Obergeschoss schlug ein Fensterladen. Wie Pistolenschüsse klang das. Bald kam der Kaiserschmarrn, und die Erwachsenen unterhielten sich leise, während Kevin das

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