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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Seibold und Kevin in Wallgau absetzte, war es fast schon dämmrig. Ein Regenbogen überspannte das Tal.
    Sie fühlte sich schwer, alt und behäbig, als sie zu Hause aus dem Wagen stieg. Es war still. Ihr Bruder Bernhard war wie jeden Abend unterwegs: Stammtisch, Feuerwehr, was wusste sie schon. Sie war froh um die Ruhe. Schmierte sich ein Brot. Füllte Näpfe für Wally, die alte Hündin, und Kater, der neuerdings nur noch zarte Stückchen aus Frischhaltebeuteln aß. Die großen Supermarktdosen strafte er mit Hungerstreik.
    Irmi starrte ihr Handy an und horchte in sich hinein. Sie wollte nicht anrufen, keine SMS schicken, obwohl sie ihn ja liebte und Telefonieren oder Simsen das Einzige an Nähe war, das ihnen über lange Strecken blieb. Doch zu oft schon war ein »Vorsicht, ich stehe unter Aufsicht« oder ein »Ich kann grad nicht« zurückgekommen. So war das mit verheirateten Männern.
    Sie zweifelte nicht an seiner Liebe, aber sie zweifelte an ihrer Stärke. Wenn sie sich nach langer Zeit wieder trafen, war da Freude, aber auch Distanz. Nach ein oder zwei Tagen ging dies Gefühl in Leidenschaft über, nach einer Woche oder länger wurden Liebe und eine tiefe Verbundenheit daraus. So hätte es bleiben können, aber dann ging er wieder, und das »System Affäre« nahm seinen umgekehrten Lauf. Zuerst war da Verzweiflung, sie vermisste ihn so sehr, dass es körperlich schmerzte. Irmis Magen streikte, und sie bekam Rückenschmerzen. Dann begann sie sich in ihrem Leben wieder zu installieren, einige Tage noch voller Dankbarkeit, dass es ihn gab. Bald aber überfiel sie ein Gefühl der Verlassenheit, der Verunsicherung, manchmal auch der Wut.
    Er war kein Telefontyp, Telefonate mit ihm waren unerfreulich, so höflich-distanziert. Sie wollte nicht wissen, wie bei ihm zu Hause das Wetter war. Sie wollte nicht dieses Kippen in seiner Stimme spüren, wenn jemand aus seinem Freundeskreis anwesend war und er so tat, als telefoniere er mit einem Geschäftskontakt. Häufig fehlte ihr die Stärke, bei ihm anzurufen oder ihm eine SMS zu schreiben. Es herrschte oft tagelang Funkstille.
    Irgendeiner von ihnen simste dann doch wieder. Mit Erfindung der SMS war Fremdgehen deutlich leichter geworden. Sofern man sein Handy nicht herumliegen ließ und sofern man Verräterisches sofort löschte. Bei mancher seiner SMS fiel ihr das schwer, aber letztlich war es bei ihr ohnehin egal, ob jemand ihre Kurznachrichten las. Bei ihm war diese Frage essenziell, und genau da lag das Problem. Nein, heute war kein guter Tag, um ihn zu kontaktieren.
    Irmi schenkte sich einen Ramazzotti ein, genau genommen einen sehr doppelten, und trat vor das Haus. Der Herbst war im Anzug, die Tage wurden kürzer. Der Geruch, der aus den Wiesen stieg, hatte sich verändert: er war nicht mehr frisch, sondern es mischten sich Nuancen des Verfalls darunter, Moder von ersten gefallenen Blättern.
    Mit einem Seufzen ging sie zu Bett. Ihr Magen rumorte noch immer.

5
    Am nächsten Tag rückten Kollege Hase und seine Leute aus, um den Leichnam beziehungsweise das, was davon übrig war, zu bergen. Irmi hätte darauf verzichten können, mitzugehen, aber sie sah das als ihre Pflicht an. Der Anblick war so, dass sie mit Sicherheit einen Diättag einlegen würde.
    Nach der Bergung konnte sie nichts weiter tun. Die Spurensicherung würde die Höhle auf den Kopf stellen, die nähere Umgebung, aber sie alle hatten wenig Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden – bei den Regenmassen, die vom Himmel gestürzt waren, und zwar nicht nur am Vortag, sondern in der ganzen letzten Zeit.
    »Wir müssen auch noch klären, was das für ein Signal war, das Kevin empfangen hat«, meinte Irmi zu ihrem Kollegen.
    Doch Hasibärchen gab nicht mal eine Antwort. Er war überarbeitet, seine Überstunden wuchsen weiter an, irgendwann würde er ein Magengeschwür bekommen und Irmi flüchtete ins Büro.
    Als Kathi anrief, unterließ sie es, sie zur Rede zu stellen, obgleich es ihr wirklich auf den Nägeln brannte. Sie war zu aufgewühlt, und sie wusste, dass sie ungerecht werden würde und laut, der Zeitpunkt war einfach der falsche. Also berichtete sie Kathi von den Ereignissen, die sich am Vortag überschlagen hatten, was diese mit einem »Das ist ja mal ein Ding« quittierte. Ihre Kollegin hatte noch Urlaub, kündigte sich aber für den nächsten Tag an. »Oder soll ich heute etwa noch reinkommen?«, fragte sie eher rhetorisch.
    »Nein, wir müssen eh auf die Ergebnisse warten.« Irmi seufzte und

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