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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Schweigepflicht erwartet, aber der Mann gab bereitwillig Auskunft: »Der Junge war pumperlg'sund, schließlich war er Hochleistungssportler. Er hatte vor zwei Jahren einen Kletterunfall, aber davon hat er sich bestens erholt. Ich meine, er klettert keine Routen mehr im Schwierigkeitsgrad zehn, aber der nimmt es mit uns trotzdem noch locker auf. Wenn ich dem seine Kondition hätte ...«
    Der Arzt hielt inne, schwieg eine Weile und ging dann ins Haus. Peter Fichtl wirkte unentschlossen.
    »Gehen Sie nur hinein!«, meinte Irmi. »Stehen Sie Ihren Eltern bei, Herr Fichtl. Und wenn Ihnen irgendetwas einfällt, dann rufen Sie mich an, ja?«
    »Ja, Auf Wiedersehen und Vergelt's Gott.«
    Wofür dankte ihr der Bursche nur schon wieder? Es gab doch nichts zu danken. Sie war immer die Überbringerin von schlechten Nachrichten.
    Langsam fuhr Irmi los, hinein ins Sträßchengewirr der Buckelwiesen. Ihr Handy läutete. Es waren ihre Kollegen. Mittlerweile war der Jeep mit dem Viehanhänger aufgetaucht. Ein Mountainbiker hatte das Gespann entdeckt. Es hatte bei der Brünstalm gestanden, hinter dem Haus. Pius Fichtl hatte es offensichtlich versteckt. Und ganz offensichtlich hatte er irgendwas in der Nähe der Fischbachalm zu tun gehabt. Wie Kevin war er sozusagen durch den Hintereingang gekommen. Eine tödliche Mission.
    Widerwillig fuhr Irmi nach Wallgau. Sie hatte ein Bild vor Augen. Scharfer Frost, Nebelschwaden. Abgemagerte Kälber mit gebrochenen Augen und offenen Wunden. Die Ohren und Schwänze einfach abgefressen. Bilder konnten gewalttätiger sein als die Realität. Weil die Phantasie immer auch Vergangenes daruntermengte, Erlebtes einfach nicht ausblenden konnte.
    Irmi lief ein Schauer über den Rücken, als sie mit dem Auto auf das Anwesen von Tassilo Leismüller fuhr. Ein aktiver Bauernhof war natürlich kein geeignetes Motiv als Titelbild für »Schöner Wohnen«, ihrer auch nicht, aber das hier war ein Grattlerhof. Der grattligste, den sie seit Langem gesehen hatte.
    Der gesamte Bereich rund um die Tenne mit einer Tennenbrücke, die wohl nicht mehr in Betrieb war, war zugestellt mit Rostlauben: Erntewagen, Heuwender, ein Normag Zorge ohne Nummernschild, zwei Betonmischer, ein paar alte Zinkwannen und ein Viehwagen, bei dem Irmi nur hoffte, dass darin kein Tier mehr transportiert würde.
    Rechts vom Wohnhaus, von dessen Wänden der Putz abblätterte und das Stockflecken aufwies, hing ein Holzschuppen in Schräglage – den nächsten Winter würde der definitiv nicht überstehen. Ein paar zerrupfte Hühner rannten umher und zaunrackendürre dreckige Katzen mit verklebten Augen, die erbärmlich anzusehen waren. Ein neuer Kälteschauer packte Irmi, sie schluckte.
    In diesem Moment kam ein älterer Mann aus dem Haus. Groß war er nicht, aber ein zäher, sehniger Typ. Er trug eine höchst antike Lederhose und dazu ein schmutziges Leinenhemd. Seine Füße steckten in Schuhen, die wahrscheinlich schon einen Russlandfeldzug hinter sich hatten. Sein Bart war ungepflegt und der Hut speckig. Schon von Weitem brüllte er: »Wieder so eine fette Tierschutz-Tusse. Scher di vom Hof!«
    Sein Dialekt hatte einen eindeutig rheinischen Einschlag, sein Bairisch, das er sich offenbar über die Jahre angeeignet hatte, war doch nie in der Lage gewesen, den Heimatdialekt, die Sprache der Kindheit, zu eliminieren. Irmi sagte nichts.
    »Ich lass die Viecher nicht kastrieren, des san meine Viecher. I zeig di an wegen Hausfriedensbruch!«
    Der Mann kam näher. Er war kleiner als Irmi und roch unangenehm modrig aus dem Mund: nach Zigaretten und billigem Schnaps.
    Irmi brüllte zurück: »Klar, lass sie sich völlig unkontrolliert vermehren! Bloß keinen Kater entmannen! Ist das Männersolidarität? Gefällt euch das, dass einer ungewollte Kinder zeugt und mit allem rauft, was ihm vor die Nase kommt? Taugt dir das? Und du gehörst bestimmt zu den Oberschlauen, die sagen, dass eine Kätzin werfen muss, weil sie sonst keine Mäuse mehr fängt. Ein Schmarrn! Auch kastrierte Katzen fangen Mäuse, viele große Mäusekiller sind Kastraten.«
    Er funkelte sie an. »So eine wie du kann eh bloß mit Kastraten.« Er lachte unangenehm. »Was woaßt denn du, was a g'scheiter Mann ist?«
    »So einer wie du? Wo solche Viecher rumhuschen, abgemagert, mit chronischem Katzenschnupfen, Würmern und Milben. Ist das männlich? Du hast bestimmt solche jungen, viel zu schwachen Katzenmütter, die beim verzweifelten Versuch, das Junge rauszuziehen, dem eigenen Kind den

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