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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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und unmenschlich, aber er konnte taktieren und manipulieren. Auch das Alibi der anderen Haberfeldtreiber war zu überprüfen. Die Kollegen würden begeistert sein.
    Seufzend förderte sie die Liste zutage. Sie ging Namen für Namen durch – und blieb an einem hängen. Das durfte doch nicht wahr sein!
    Ihr Bruder saß in der Stube, als sie nach Hause kam. Sie hatte gehofft, er wäre beim Wirt, wie so oft. Er sah vom Landwirtschaftlichen Wochenblatt auf.
    »Du schaugst aus wie der Tod. Arbeit halt nicht so viel. Du hast doch auch Mitarbeiter. Wo ist denn Kathi, das Rotzgör?«
    Normalerweise wäre nun ein Streit übers richtige Delegieren entbrannt, und Irmi hätte ihm im Gegenzug vorgeworfen, dass er ja auch alles selber mache und endlich mal seine tausend Pöstchen abgeben solle. Am Ende wäre der Streit in Geplänkel umgeschlagen, sie hätten ein Bier getrunken und wären ins Bett gegangen. Eingebrannte Rituale unter Geschwistern eben. Er war schließlich ihr Bruder. Und nun musste sie voller Bitterkeit feststellen, dass sie ihn so schlecht kannte. Sie schwieg.
    »Ja, wie nun, Schwesterlein? Keine Widerworte?«, stichelte Bernhard.
    Da brach es aus Irmi hervor: »Das ist nicht dein Ernst, oder? Du warst beim Haberfeldtreiben dabei? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du bist ein verdammter Sturschädel, aber so gutmütig, wie Mama es war. Dachte ich zumindest bis vor Kurzem. Wie konntest du so was tun?«
    »Jetzt bausch das doch nicht so auf«, brummte Bernhard.
    »Ach, ich bausch das auf!« Irmi schrie so laut, dass sogar Wally, die fast taub war, den Schwanz einzog und in die Küche flüchtete. »Ihr greift zu archaischen Methoden. Ihr spielt Gerechtigkeit. Und ich Idiot frag dich noch, ob du Fichtl kennst!« Ihre Stimme überschlug sich. »Ich frag dich! Und du hast mir nichts zu sagen?«
    »Ach, kimm! Die Bauern haben auch beim Sonnleitner ein Haberfeldtreiben gemacht. Dadurch bekommen wir Aufmerksamkeit für unsere Sache. Auch in der Presse.« Bernhard machte sich an seinen Händen zu schaffen.
    »Eure Sache! Ha! Indem ihr einen Kollegen heimsucht und seine alten Leute zu Tode erschreckt? Ihr Idioten!« Irmi war zum Heulen.
    »Vielleicht sind da die Pferde mit uns durch. Die Emotionen lagen letztes Jahr echt blank. Da ist manches entgleist.«
    »Entgleist! Putziges Wort! Aber Fichtl ist tot! Ist das etwa auch entgleist?«
    Bernhard, der bisher leicht verunsichert vor sich hin gebrummt hatte, war nun wirklich bestürzt. »Du glaubst doch nicht, dass einer von uns ...? Dass wir Bauern ...? Dass ich ...?«
    »Wir Bauern! Ein tolles Wir. Ein Wir hinter Masken und abscheulichen alten Bräuchen. Klar glaube ich, dass es einer von euch war!« Sie zog überhaupt nicht mehr in Betracht, dass Fichtl verunglückt sein könnte. Aber egal! Sie war in Rage, und es war gut, dass Bernhard in Deckung gegangen war. Dass er in der Defensive war.
    »Aber das war letztes Jahr!«
    »Ja und? Der Hass schwelt weiter. Fichtl war doch immer und zu aller Zeit nicht angepasst genug für euer Wir. Für die Kampftrachtler, die du deine Kollegen nennst.«
    Bernhard schwieg.
    Irmi holte aus: »Wo warst du letzten Mittwoch?«
    »Du fragst mich nach meinem Alibi?« Bernhard war konsterniert.
    »Ja, das ist mein Job. So wie es anscheinend deiner ist, den Rächer des Bauernstands zu geben.«
    Nun wurde auch Bernhard wütend. Er brüllte: »Ja, ich sag dir, wo ich war! Ich war mal wieder als Rächer des Bauernstands unterwegs! Und zwar auf der Fischbachalm auf einer Demo. Die neue Frau Landwirtschaftsminister und weitere Politprominenz wollten sich über die Nöte der Bergbauern informieren. Wir waren auch da. Wir Rächer.«
    Sarkasmus stand ihm nicht, fand Irmi. Die Lautstärke auch nicht. Bernhard war eigentlich keiner, der brüllen musste.
    Doch es hing ein Wort in der Luft: Fischbachalm. In deren Nähe Pius Fichtl zu Tode gekommen war. An genau diesem Tag. Irmi erinnerte sich an einen Zeitungsartikel. »Mittwochsdemo im Karwendel« hatte der geheißen, und der Schreiberling hatte noch versucht, Insiderwissen zu demonstrieren, indem er vom »Bauernsonntag« gesprochen hatte. Und ihr Bruder mittendrin.
    Irmi flüchtete aus dem Raum. Riss den Kühlschrank auf. Trank einen großen Schluck Ramazzotti aus der Flasche und noch einen. Die alte Hündin schickte ihr einen Hilfe suchenden Blick. Langsam ging Irmi in die Knie. Dann sackte sie neben Wally auf den Holzdielenboden. Und mit der Abwärtsbewegung kamen die Tränen.
    Es verging geraume

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