Mord im Bergwald
über ihnen.
»Letzte Runde. Warum waren Sie auf der Alm?«
Nichts.
»Ich kann Sie umgehend verhaften.«
Nichts.
»Haben Sie da oben Pius Fichtl getroffen?«
Nichts.
»Gut!« Kathi hatte von irgendwoher Handschellen gezaubert. »Dann packen mir's nach Garmisch.«
Als sie auf ihn zutrat, sagte er plötzlich: »I war do eh bloß zwecks dem Schaun. Glaub mir's! Do wor i öfters.«
»Was schauen?«, fragte Irmi
Er wand sich und schwieg. Kathi wirbelte mit den Handschellen, was albern aussah, aber Vinzi wohl beeindruckte.
»Des Madel. De Holländerin«, sagte er schließlich.
Irmi brauchte ein paar Sekunden, bis sie schaltete. Ein Spanner! Er hatte Meike beobachtet! »Sie meinen Meike, die junge Belgierin, die auf der Alm arbeitet?«
»Dann halt Belgien«, brummte er.
»Und was haben Sie sich da so angeschaut?«, fragte Irmi.
»Ja mei, was se halt so macht. Manchmal duscht se halt draußen.«
Irmi warf Kathi einen Blick zu. Zu spät. Kathi hatte zu einer gewaltigen Ohrfeige ausgeholt. »Ja, du miese, du elende Spannersau!«
Oh nein, das hatte gerade noch gefehlt. Wenn der jetzt Kathi anzeigte, würde das eine Lawine negativer Berichterstattung gegen die Polizei lostreten. Das Verblüffende aber war, dass Vinzi den Kopf senkte und dann mehr in Richtung Boden als zu Kathi murmelte: »Des hot ja koam g'schadt.«
Irmi schnappte nach Luft. Meike hatte seine Spannerei offenbar auch nie bemerkt, und Irmi würde es ihr sicher nicht sagen. Es war doch schlimm, nachträglich zu erfahren, dass man über Monate beobachtet worden war. Es war so erbärmlich. Armselig und tragisch dazu. Vinzi Leismüller war nicht der Typ, der irgendwelche Frauen kennenlernte. Sein Schicksal war besiegelt, weil sein Vater ihm nur Unterdrückung und Hass vorgelebt hatte.
Kathi war immerhin so schlau, dass sie ihren Ausraster überspielte und in normalem Ton fragte: »Haben Sie an dem Tag zufällig Pius Fichtl gesehen?«
Leismüller junior schwieg wieder. Wind war aufgekommen, eine Bö wehte Vinzis grünen, völlig verhauten Hut davon. Irmi bekam ihn zu fassen und reichte ihn dem jungen Mann. »Bitte schön!«
Sein Blick war eine Mischung aus Verwunderung und Verwirrung. Er war eine arme Sau, keine Frage.
»Haben Sie Fichtl gesehen?«, fragte Irmi nun ganz sanft. »Das wäre wichtig.«
»Ja«, sagte er nach einer langen Weile.
»Ja?«
»Er is mit dem Radl vom Lakaiensteig oi. Er hat kurz og'halten, hot ummig'schaugt zur Alm und is dann weiterg'fohrn, ummi zum Hundstall.«
»Meinen Sie, ihm war zu viel los auf der Alm?« Irmi sah ihn aufmerksam an.
»Hot so ausg'schaugt.«
»Wann war das denn etwa?«
»So um eins.«
»Und dann?«
»I bin hinterher.«
»Warum?«
»Oafach so. Mir war auch zu viel los auf dr Alm.«
»Und dann? Haben Sie Pius Fichtl noch mal gesehen?«
Er hielt den Hut noch in Händen und drehte an der Krempe. »Naa, aber ...«
»Aber was?«
»G'hert.«
»Sie haben ihn gehört?«
»Ja, da worn Stimmen. Do hot jemand g'redt ...«
»Stimmen?«
»Die ham g'stritten. G'sehn hob i nix. Wie auch? De warn im Wald. Koa Ahnung, was de do g'macht ham. Do san doch de Bacherln und de Muren.«
Nun war er aber aus sich herausgegangen. Eine Rede, die sogar Information enthielt. Irmi verbarg ihre Unruhe. »Vinzi, wissen Sie denn, mit wem er gestritten hat?«
»Naa, des warn zwoa Stimmen. Seine und de von jemand anderm.«
»Männlich?«
»Ja scho, aber so guat hob i des auch ned g'hert.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»I war no a bisserl auf der Alm. De Großkopferten waren dann alle scho weg.«
»Haben Sie noch jemanden gesehen, als die anderen weg waren?«
Er überlegte. »Ja, den Depp vom Alpenverein. So ein Oarschloch.«
»Bernd Orlowski?«
»Wenn der so hoaßt. Des kloane Manderl. So a kloaner, aufg'stellter Mausdreck mit Kapperl.«
Diese Beschreibung war ziemlich zutreffend. Irmi versuchte ihr Grinsen zu unterdrücken. »Wo genau war der?«
»Er is von unten kemma.«
»Wo unten?«
»Ja, von der Seitn, wo auch der Fichtl war.«
Irmi starrte ihn an, von Kathi kam ein »ups«.
»Ja, was schaugts denn so. Des wird scho der g'wesen sein, mit dem der Pius gstritten hot. De worn ja alle zwoa so siebng'scheit.«
Orlowski, also doch! War gekränkte Eitelkeit ein Mordmotiv? Oh ja, mehr noch: Gekränkte Eitelkeit, gegenüber einem jungen Bauern in jeder Diskussion den Kürzeren gezogen zu haben und genau beobachten zu müssen, dass der verhasste Gegner auch noch den Hauptpreis bekam, nämlich die schöne
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