Mord im Bergwald
überall wucherten Margeriten und Kapmargeriten. Die Kapuzinerkresse leuchtete in einem unwirklichen Orange. Zudem gab es vor dem Haus einen Bauerngarten mit Ringelblumen und Kräutern, mit Königskerzen und Bohnenranken. Kein braunes Köpfchen, keine verblühten Dolden – diesen halben botanischen Garten zu pflegen musste eine Lebensaufgabe sein. Die Frau mit dem grünen Daumen kam soeben ums Eck und schob ein Wagerl vor sich her, auf dem mehrere Gießkannen standen. Vermutlich war das Diepolds Mutter.
»Morgen, ich bin die Mangold Irmi. Ich müsst den Junior sprechen.«
»Ach, dem Bernhard sei Schwester. Die Frau Kommissar. Griaß di.« Die kleine schlanke Frau hatte einen grauen Dutt und war braun gebrannt. Ihre Falten machten sie interessant. Komisch, dachte Irmi, dass man bei anderen Menschen Falten immer interessant fand, bei sich selbst aber nie. Die Austragsbäuerin war wahrscheinlich viel jünger, als sie aussah, aber das Bauersleben gerbte die Haut und verschärfte die Züge. »Der Franz kimmt glei. Magst an Kaffee?«
Irmi nickte.
»Drin oder do?« Sie wies auf eine Art Laube links vom Eingang, die von Weinblättern überrankt war. Darunter standen eine schmiedeeiserne Bank mit Holzsitz, zwei Stühle ähnlicher Machart und ein Tisch, der aus einer Tischplatte und dem Unterbau einer alten Nähmaschine bestand. Einfach und schön. Hier hatte jemand das gewisse Händchen.
»Gern draußen, es ist so ein herrlicher Morgen.« Irmi lächelte.
»Ja, dr Winter kimmt bald. Hobts alles guat eing'fahrn?«
»Ja, das Grummet ist schön geworden, das Strah auch. Fast zu schad zum Einstreuen.«
»Ja mei«, sie lachte. »Mir verfüttern des an de Isländer. Die Schwiegertochter hot drei so Flugameisen, und so wie's ausschaugt, leben die von gor nix. A Kaltblut schaugt so a Fuader erst gor ned o.« Sie nickte Irmi zu und verschwand im Haus. Sie hatte freundlich geklungen, auch bei der Erwähnung der Schwiegertochter hatte sich kein Unterton in ihre Stimme gemischt. Ein Isländer haltendes Model aus dem Saarland, das hat es sicher nicht leicht auf so einem Hof, dachte Irmi leicht amüsiert.
Kurz darauf war die Austragsbäuerin mit dem Kaffee zurück.
»Isländer beim Kaltblutzüchter?«, fragte Irmi.
Die alte Bäuerin lachte hell. »Ja, der Mann und der Franzi wollten die zuerscht gor ned ham, aber wenn s' unbeobachtet san, dann streicheln s' de Viecher doch und füttern sie mit gelben Rüben. Und dann ham mir ja auch Feriengäste, und de Kinder megn de Viecher. Di Schwiegertochter reitet mit ihnen aus.«
»Sie ist Model, hab ich gehört?«
Sie lachte wieder. »Ja, ab und zu macht se des no. Für so an Katalog. Oder in Garmisch bei der Trachtenmodenschau. Aber sie macht halt viel mit de Gäscht, Nordisch Walking mit de Stöck, i woaß ja ned. Gehsch du mit Stöck?«
Nun war es an Irmi zu lachen. »Nein, erstens hab ich keine Zeit, und wenn, geh ich einfach so in die Berge.«
»Eben, aber man muaß mit der Zeit gehen. Ah, schaug, da kimmt er eh scho. I lass eich allein.«
Eine bemerkenswerte Frau. So klar und schnörkellos.
Franz Diepold trug eine Latzhose und ein T-Shirt mit knappen Ärmeln. Er war groß, schlank und sehnig, an seinem Unterarm spielten ein paar Muskeln, als er sich auf den Tisch stützte. Der Mann sah so aus, wie sie ihn in Erinnerung gehabt hatte: moderne dunkle Brille, Kurzhaarschnitt – er hätte wirklich Student sein können oder ein Jungbanker. Dabei strahlte er eine leise Arroganz aus, die sicher auch mit seiner Optik und seinem selbstsicheren Auftreten zu tun hatte.
»Irmi, griaß di.«
»Franz, servus.« Es war natürlich etwas seltsam, einen Verdächtigen zu duzen, aber es wäre ja noch alberner gewesen, ihn plötzlich zu siezen. Er setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl.
Irmi verzichtete auf jeden Smalltalk. »Meine Leute waren gestern bei dir.«
»Ja, hinterher ist mir aufgefallen, dass das die Andrea Strobl war. Sie sah so anders aus. Dunklere Haare, glaub ich.« Noch immer war da diese Arroganz, die Irmi nicht gefiel.
»Stimmt, sie war mal brünett, und sie ist die Tochter eines Züchterkollegen. Andrea hat uns gleich mal über die Kaltblutzucht aufgeklärt.«
»Ja, der Strobl hat zwei prächtige Burschen. Gute Vererber, klar im Kopf.«
»Deiner soll ja auch nicht schlecht sein.«
»Magst ihn sehen?« Die Arroganz war wie weggeblasen, nun war er ein kleiner Junge, der sein Spielzeug vorführen wollte. Und bevor Irmi noch etwas entgegnen konnte, war er
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