Mord im Bergwald
einen Schecken. Ich hab einen gekauft. In Tirol. Er wird heute Abend gebracht. Ein Wallach.«
Irmi hatte die Augen weit aufgerissen. »Und da erzählst du so einen Schmarrn von wegen Decktermin?«
»Als das Strobl-Mädchen und dieser Sailer da waren, hat Nadine grad den Stall gemacht. Sie hätte das doch gehört. Und dann wäre die ganze Überraschung ja keine mehr gewesen.« Er klang kläglich.
Irmi schüttelte den Kopf. »Du hast echt einen an der Mütze. Deine Frau hat doch schließlich Ahnung von Pferden, oder? Auch wenn ihre etwas kleiner sind als deine. Die hat dir das mit dem Decktermin doch nicht abgenommen?«
»Das ist es ja. Natürlich hat sie das nicht geglaubt. Sie meint, ich hätt 'ne andere. Sie hat mir den Ehering hinterhergeschmissen. Dabei mach ich so was schon lange nicht mehr. Ich liebe meine Frau. Drum hab ich ihr ja auch noch so eine ...«
»Flugameise? Ein Wikingerpony?« Irmi lächelte.
»Ja, so eine Flugameise gekauft.«
»Und ich nehme an, ich könnte da anrufen, wo du den Wallach her hast?«
»Klar. Er kommt ja heute Abend. Du kannst ihn dir gerne ansehen. Und die Verkäufer. Die kommen mit, wollen sehen, wo er hinkommt.« Er klang wirklich zerknirscht.
»Mensch, Franz, du bist wirklich ein Vollgastrottel. Und meine Zeit und die meiner Leute verschwendest du auch.« Eigentlich hätte sie wütend sein müssen, aber das war ja schon süß. Und romantisch. Ein Pony für die Liebste.
Hinter ihnen hörte man Schritte. Es war Nadine. Sie trug Trekkingshorts und ein über dem Bauch geknotetes Hemd. Makellose Beine. Die Frau wusste wahrscheinlich nicht mal, wie man Cellulite schrieb. Sie sah bewusst an Franz vorbei und suchte stattdessen Irmis Blick. In ihren Augen lag ein Ausdruck des Wiedererkennens. »Oh, hallo. Irmi, oder?«
»Ja, genau. Hallo!«
Irmi reichte ihr die Hand. An der Stelle, wo der Ehering gesessen hatte, war ein weißes Ringerl in die Sommerbräune gestanzt.
»Ich muss weiter«, erklärte Nadine.
Irmi lächelte sie an. »Ach, Nadine, streif deinen Ehering wieder über. Der Franz ist zwar ein Depp, aber ein ganz Lieber.«
Nadine sah Irmi verständnislos an. Wenn man etwas Negatives über das Mädchen sagen konnte, dann vielleicht, dass sie mit offenem Mund nicht sonderlich schlau aussah.
»Glaub der Polizei, Nadine. Macht's gut, ihr zwei.«
Irmi flüchtete schnell aus dem Stall. Im Vorbeigehen trank sie ihren lauwarmen Kaffee aus, winkte der Mama zu, die an ihren Blumen zupfte, und fuhr vom Hof.
Im Auto musste sie lauthals lachen. Was für eine Geschichte! Wie im Fernsehen, nur noch netter. Nadine, die bayerische Saarländerin mit den isländischen Ponys. Na, so eine Frau betrog man doch auch nicht. Obwohl – auch Julia Roberts oder Sandra Bullock waren wahrscheinlich schon betrogen worden. Oder Jennifer Aniston – die ganz bestimmt.
12
Im Büro berief Irmi ein rasches Meeting ein. Gerade als alle versammelt waren, schneite Kathi herein. Abgehetzt. »Tschuldigung, ich hab verschlafen.«
Irmi hätte sie erwürgen mögen, aber sie wollte sie nicht vor allen anderen zurechtweisen. Also berichtete sie von Diepold, was Sailer mit einem unwirschen Grunzen quittierte und Andrea mit weit aufgerissenen Augen.
»Der Diepold Franz, das hätt ich ihm gar nicht zugetraut«, sagte sie, wobei offen blieb, was sie ihm nicht zugetraut hätte – so viel Romantik oder den Erwerb eines Isländers. Vermutlich wäre einer passionierten Kaltblutfrau wie ihr ein Isländer nie und nimmer in den Stall gekommen.
»Andrea, haben Sie mittlerweile was über Orlowski erfahren?«, erkundigte sich Irmi.
»Ja, hab ich. Also: Bernd Orlowski war ursprünglich in Rosenheim bei der Post. Im Briefzentrum. Vor zwei Jahren hat er aufgehört. Jetzt ist er siebenundfünfzig und nur noch in Sachen Alpenverein unterwegs. Ich hab mit seiner Exfrau gesprochen. Die stand nämlich im Telefonbuch, er nicht. Sie war sehr nett. Die sind seit Jahren geschieden, haben zwei erwachsene Kinder, die längst außer Haus sind. Die Tochter in Kanada, der Sohn in Norwegen.«
»Gut, sonst noch was? Skandale, irgendwas Privates?«
»Na ja, seine Exfrau hat kein Blatt vor den Mund genommen. Sie meinte, ihr Mann sei früher hinter jedem Weib her gewesen, vor allem aber Mädchen, die zwanzig Jahre jünger waren. Sie meinte, das zermürbe eine Ehe über die Jahre. Und wenn einer dann ständig auf so romantischen Hütten sitzt, der Sternenhimmel, der Hüttengeist – Gelegenheit macht Liebe. Also, das hat seine Exfrau
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