Mord im Dirnenhaus
und zog eine weitere Holzschachtel hervor, hob den Deckel und entnahm ihr ein paar weitere Süßigkeiten, die sie in das Kästchen zu den kandierten Früchten legte. «Weil Ihr es seid, gebe ich noch ein paar Stücke meines guten Konfekts dazu, ohne Aufpreis.»
«Von Eurem Konfekt habe ich bereits gehört.» Er beäugte die süßen Leckereien, bevor sie Schachtel und Kästchen wieder sorgfältig verschloss. Seufzend nahm er ihr das Kästchen ab. «Nun gut, ich bin ja kein Kniesbüggel.» Er gab ihr das Geld, das sie sogleich in ihre Geldkatze unter dem Tresen legte.
«Das hatte ich auch nicht erwartet», sagte sie liebenswürdig. «Aber nun zu Eurer Frage von eben. Ich habe mit meinen Sammelfrauen gesprochen. Sie halten es für ausgeschlossen, dass jemand, der sich nicht auskennt, hier in der Nähe Eisenhut gesammelt hat. Eva, die ältere der beiden, meinte, dass er hier nur sehr selten vorkommt und eher in der Eifel oder anderswo im Bergland zu finden ist.»
«Und wenn der Mörder so ein Sammelweib wie die Euren bezahlt hat, ihm das Kraut zu besorgen?»
«Unwahrscheinlich.» Adelina schüttelte den Kopf. «Wie gesagt, Eisenhut ist sehr schwer zu finden. Meine Sammelfrauen haben es sich nicht zugetraut.»
«Sagen sie. Und wenn sie lügen?»
Adelina hob die Schultern. «Eva meinte, wenn überhaupt jemand Eisenhut hier in der Nähe findet, dann nur eine Person. Doch die hat sich gewiss nicht für eine Mordtat hergegeben. Da bin ich mir sicher.»
«So? Wie kommt Ihr darauf?» Reese legte den Kopf auf die Seite und musterte sie aufmerksam.
«Sie hat vor vielen Jahren meiner Mutter bei der Geburt meines Bruders beigestanden. Meine Mutter starb, doch durch die Heilkünste der Weisen Frau konnte mein Bruder gerettet werden.»
«Ihr kennt sie also?»
Adelina biss sich auf die Lippen. Jetzt nur nichts Falsches sagen, sonst käme sie womöglich in Teufels Küche. «Ich … war damals noch ein Kind. Aber ich erinnere mich an sie. Sie … hat getan, was sie konnte. Sie ist keine Mörderin.»
Reese hob spöttisch die Brauen. «Mag sein, dass sie Eurem Bruder geholfen hat, vielleicht ist sie ja eine gute Hebamme. Doch Euch sollte bekannt sein, dass gerade solche besonders klugen Hebammen auch über tödliche Pflanzen Bescheid wissen und sie zuweilen auch anwenden. Der Teufel sucht sich für seine bösen Pläne gerne Geburtshelferinnen aus.»
«Der Teufel?» Adelina schüttelte den Kopf. «Was redet Ihr denn da? Ludmilla ist doch keine Hexe.» Sie bekreuzigte sich rasch.
Reese zuckte mit den Schultern. «Wollen wir es hoffen.»
«Ihr redet ja gerade so, als sei ihre Schuld bereitserwiesen!», regte sich Adelina auf. «Es kann auch noch hundert andere Möglichkeiten geben, wie der Eisenhut in van Kneyarts Essen gelangt ist.» Verärgert begann sie mit einem Lappen über den Tresen zu wischen. Da fiel ihr noch etwas ein. «Wisst Ihr denn inzwischen, wie er das Gift zu sich genommen hat?»
«Nein, leider noch nicht.» Bedauernd schüttelte Reese den Kopf. «Aber gerade in diesem Augenblick ist ein Abgesandter des Stadtrats in dem Haus am Berlich und befragt die Bewohnerinnen.»
«Ein Abgesandter des Rates?», wunderte sich Adelina. «Warum keiner der Schöffen? Sind sie nicht für derlei Angelegenheiten zuständig?»
Reese seufzte und lehnte sich gegen den Verkaufstresen. «Wohl wahr, normalerweise. Doch Erzbischof Friedrich wird in Kürze in der Stadt erwartet, und die Schöffen sind wegen seines Empfangs anderweitig beschäftigt. Die neue Stadtverfassung, der Verbundbrief, muss vom Erzbischof abgesegnet werden. Wenn er sie nicht akzeptiert, kann es erneut zu Streitigkeiten und Unruhen kommen. Deshalb bereiten die Schöffen alles sorgsam vor.»
«Dann ist die Vorbereitung des Empfangs wichtiger als die Aufklärung eines Mordes?» Die Missbilligung war Adelinas Stimme deutlich anzuhören, doch Reese ging nicht darauf ein.
«Der Mann, der die Befragung durchführt, ist Anwärter auf das Schöffenamt. Deshalb wurde er für diese Aufgabe ausgesucht. Ihr kennt ihn übrigens, es ist Euer Nachbar, Anton Keppeler.»
«Was, Keppeler will Schöffe werden?» Verwundert hob Adelina die Brauen. «Das höre ich heute zum ersten Male.»
«Dann behaltet es auch für Euch. Es ist zwar kein Geheimnis, aber dennoch eine Sache, die vertraulich zu behandeln ist. Und nun sagt mir noch einmal, wie diese Weise Frau heißt, von der Ihr gesprochen habt.»
«Ihr Name ist Ludmilla. Sie lebt …»
«So, so. Ludmilla, sagt Ihr? Das ist ja
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