Mord im Dirnenhaus
seiner Stube zu bewundern. Reese wies auf einen mit Brokat bezogenen Stuhl, und sie setzte sich.
«Warum habt Ihr Ludmilla festnehmen lassen?», kam Adelina ohne Umschweife zur Sache.
«Ich dachte mir schon, dass Ihr deshalb herkommen würdet. Doch ich muss Euch sagen, dass Ihr Euch in dem Weib geirrt habt.» Er hielt einen Moment inne und rieb sich die Augen. Dann sah er sie mit ernster Miene an. «Es gab einen weiteren Mord.»
«Einen …?» Adelina klappte die Kinnlade herunter. «Einen weiteren Mord?»
«Zwei sogar, um genau zu sein. Obwohl man nicht sicher sein kann, dass es sich bei dem zweiten tatsächlich um einen Mord …»
«Wer? Wer ist ermordet worden?», unterbrach sie ihn.
«Keppeler. Er und die Dirne, die er befragt hat. Er war bei ihr in diesem Haus, in ihrer Kammer.»
«Allein?»
Hilflos zuckte Reese mit den Schultern. «Es heißt, sowohlKeppeler als auch dieses Weib hätten ganz plötzlich angefangen zu schreien und zu würgen. Da wurde die Hauswirtin aufmerksam. Als sie die Kammer betrat, wanden sich beide am Boden. Jede Hilfe kam zu spät. Wir haben die Sache noch nicht bekannt gegeben.»
«Aber was ist mit seiner Familie?»
Reese seufzte. «Seine Frau ist mit den Kindern außerhalb der Stadt auf Verwandtenbesuch. Wir haben einen Boten losgeschickt, der ihr die schreckliche Nachricht überbringen soll.»
«Großer Gott!» Adelina schüttelte fassungslos den Kopf. «Dann sind beide ebenfalls mit Eisenhut vergiftet worden?»
«Alle Anzeichen sprechen dafür», bestätigte Reese. «Obwohl es auch möglich ist, dass die Dirne sich das Gift selbst zugeführt hat. Wenn sie für den Tod beider Ratsherren verantwortlich ist, und so sieht es im Augenblick aus, dann hat sie sich womöglich selbst gerichtet.»
«Weshalb sollte sie die beiden Männer töten?», zweifelte Adelina.
Erregt trat Reese ans Fenster und starrte einen Moment hinaus auf die Gasse. «Es kann vielerlei Gründe geben. Der wahrscheinlichste ist, dass sie dazu gedungen wurde. Nun müssen wir lediglich herausfinden, von wem. Glücklicherweise habt Ihr mir mit Eurem Bericht heute früh einen großen Dienst erwiesen, denn er hat bestätigt, dass diese Ludmilla den Eisenhut beschaffen konnte.» Er legte den Kopf auf die Seite. «Schaut mich nicht so böse an. Ich sagte Euch bereits, dass solche Weiber zu allem fähig sind.»
«Aber warum …?»
«Ludmilla wurde am Tag des ersten Mordes, sogar zur gleichen Zeit, in dem Dirnenhaus gesehen. Angeblichhat sie eine Untersuchung bei einer der Hübschlerinnen durchgeführt, die schwanger geworden ist. Mutter Berta hat das bestätigt.»
«Mutter Berta?»
«Die … nun ja, Hauswirtin. Sie führt das Haus
Zur schönen Frau
und kümmert sich um die dort arbeitenden Frauen.»
«Und sie hat Ludmilla dort gesehen?», hakte Adelina nach.
Reese nickte. «Sie und auch die anderen Frauen, allen voran natürlich die Schwangere.»
«Dann lügen sie.»
«Nein, Frau Adelina, da ist noch etwas.» Reese schüttelte mit einem nachsichtigen Lächeln den Kopf. «Wir haben Ludmilla heute nicht weit vom Berlich festgenommen. Sie hat bereits zugegeben, heute ebenfalls dort gewesen zu sein.»
«Sie war heute dort, als Keppeler vergiftet wurde?» Ungläubig riss Adelina die Augen auf. Reese zuckte mit den Schultern.
«Sie behauptet natürlich, sie sei wegen einer weiteren Untersuchung bei den Hübschlerinnen gewesen.» Er verzog die Mundwinkel zu einem sarkastischen Grinsen. «Aber wir werden schon herausfinden, was sich wirklich zugetragen hat. Jedenfalls haben wir sie festgesetzt, ebenso wie die Bewohnerinnen des Dirnenhauses. Gleich morgen werden wir mit der Befragung fortfahren.»
«Mit der Befragung?», wiederholte Adelina und schauderte. «Ich wage nicht mal daran zu denken, was ihr damit meint. Ludmilla ist unschuldig!»
«Das werden wir ja sehen. Ich halte sie für alles andere als unschuldig.»
«Aber warum hätte sie den Hübschlerinnen helfen sollen, zwei Männer umzubringen?»
«Seht Ihr, genau das versuchen wir herauszufinden.»
Adelina konnte es noch immer nicht fassen. Sie sprang von ihrem Stuhl auf und machte zwei Schritte auf Reese zu. «Aber wie? Wie wurden Keppeler und die Dirne vergiftet?»
«Das wissen wir noch immer nicht. Wir haben das Zimmer abgesucht, doch weder etwas zu essen noch etwas zu trinken gefunden. Was auch immer sie zu sich genommen haben, die Menge war anscheinend genau bemessen. Wir haben keinerlei Reste gefunden.»
Adelina wandte sich zur Tür. «Wo habt
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