Mord im Dirnenhaus
sie sich wieder ihrem Mörser.
Eine Zeitlang arbeiteten sie schweigend, bis die Glocke an der Tür einen Besucher ankündigte.
«Guten Tag, Herr Losschart», begrüßte Adelina den beleibten Mann, der sich schnaufend auf dem Tresen abstützte. «Ihr seht aus, als wärt Ihr gerannt. Ist etwas passiert?»
«Meiner Frau geht es nicht gut. Sie hat nach Magister Burka geschickt, doch wie ich hörte, ist Euer Gemahl noch nicht wieder in der Stadt. Aber sie hustet arg, und ihre Medizin ist bereits aufgebraucht. Könnt Ihr mir einen anderen Medicus empfehlen?»
«Sicher kann ich das. Doctore Bertini, der italienische Arzt, soll sehr gut sein. Mein Gemahl ist mit ihm befreundet. Bertini wohnt am oberen Ende der Schildergasse, ganz in der Nähe von St. Aposteln. Allerdings kenne ich auch die Zusammensetzung der Arznei, die Magister Burka Eurer Gemahlin verordnet hat. Ich kann sie Euch gerne zubereiten.»
«Würdet Ihr das? Ich wäre Euch sehr dankbar.» Losschart schnaufte erneut, diesmal erleichtert.
«Würdest du bitte die Alantwurzeln holen?», wandte sich Adelina an ihren Vater. Dieser nickte, und sie sah, wie ein freudiges Leuchten in seine Augen trat. Er nahm den Kasten mit den Heilwurzeln aus dem Regal und sah zu, wie Adelina geschickt einige davon zerkleinerte und mit ein, zwei weiteren Zutaten mischte.
«Habt Ihr von der Sache mit Keppeler gehört?» Mit dem Ärmel wischte sich Losschart über die Stirn. «Schlimm, sage ich Euch. Er war ein guter Kerl.»
«Was für eine Sache mit Keppeler?» Albert hob neugierig den Kopf. Losschart sah ihn leicht befremdet an. «Wisst Ihr es noch nicht? Ei, er wurde doch umgebracht! Vergiftet, in dem Dirnenhaus, in dem auch van Kneyart kürzlich getötet wurde. Dabei wollte Keppeler nur …»
«Keppeler ist tot? Unser Nachbar Keppeler?» Entsetzt starrte Albert Losschart an. «Wusstest du das, Adelina?»
«Ich …» Adelina biss sich auf die Lippen. «Ja, ich wusste es. Ich habe nur noch nichts gesagt, weil …» Sie suchte nach Worten. «Ich habe es gestern Abend erst spät erfahren, als du dich bereits hingelegt hattest.»
«Also so etwas!» Albert schüttelte entrüstet den Kopf. «Das muss ich doch wissen. Ich kenne ihn schon seit vielen Jahren. Vergiftet, sagt Ihr?»
«Jawohl, von einer Dirne vergiftet.» Losschart nickte heftig und machte ein wichtiges Gesicht. «Er sollte sie wie gesagt verhören, wegen des anderen Mordes. Da hat sie ihn einfach umgebracht. Und sich selbst noch dazu. Man stelle sich das nur einmal vor!»
«Aber Herr Losschart», unterbrach Adelina den Redestromdes aufgeregten Mannes. «Es ist doch noch gar nicht erwiesen, dass …»
«Was weißt du denn davon?» Albert blickte seine Tochter erstaunt an.
«Nichts», beeilte sie sich zu sagen, als sie das aufgeregte Zucken seines Kinns sah. Hoffentlich löste die ganze Aufregung nicht wieder einen Anfall bei ihm aus. «Ich denke nur, man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen.»
«Voreilige Schlüsse?» Losschart fuchtelte aufgeregt mit den Händen. «Keppeler wurde während der Befragung vergiftet, und als man ihn fand, lag die Dirne neben ihm und wand sich wie er in Todeskrämpfen. Welche Schlüsse würdet Ihr da ziehen?»
«Eure Arznei ist fertig.» Adelina reichte ihm den Beutel mit der Hustenmedizin. «Eure Gemahlin soll sich zweimal täglich einen Sud daraus kochen. Wenn es nach zwei Tagen nicht besser ist, geht zu Doctore Bertini.»
«O ja, gewiss. Verzeiht, ich habe mich hinreißen lassen.» Mit betretener Miene kramte Losschart nach seiner Geldbörse. «Wisst Ihr, ich sitze zwar seit vergangenem Jahr nicht mehr im Stadtrat, aber dennoch bekümmern mich die Angelegenheiten noch immer sehr. Was bin ich Euch schuldig?»
Adelina nannte ihm den Preis für die Arznei, und er zählte die Münzen auf den Tresen. Mit einem kurzen Gruß verließ er die Apotheke.
«Wir müssen Keppeler die letzte Ehre erweisen.»
«Wie bitte?» Adelina drehte sich zu ihrem Vater um.
Er blickte betrübt drein. «Wir müssen ihm die letzte Ehre erweisen. Wann ist seine Beerdigung?»
«Das weiß ich leider nicht.» Beruhigend legte Adelinaihm die Hand auf den Arm. «Ich werde mich erkundigen. Aber nun lass uns hier weitermachen.» Sie wies auf die Kräuter auf dem Tresen und ihren Mörser.
Nachdem sie die Beinwellblätter alle fein zerstoßen hatte, griff sie nach einer Phiole mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Albert sah neugierig dabei zu, wie sie die Flüssigkeit mit den Blättern mischte und zu einer
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