Mord im Dirnenhaus
Decke glatt, dann faltete sie ihre Hände im Schoß. «Ich weiß, das alles hier ist nicht einfach für dich. Neklas … dein Vater hat dich hierher gebracht, weil er dir ein gutes Leben und eine gute Ausbildung verschaffen will.» Adelinablickte auf ihre Hände, die sich mittlerweile ineinander verkrallt hatten. Also löste sie sie voneinander und strich erneut über die Decke. «Ich möchte, dass du weißt, dass du hier auch ein Zuhause hast, nicht bloß eine Lehrstelle.»
Griet sah sie mit großen Augen an, schwieg aber. An den heftigen Bewegungen ihrer Kehle sah Adelina jedoch, dass das Mädchen hart schluckte.
«Ich weiß, ich kann deine Mutter nicht ersetzen», fuhr Adelina fort. «Aber du brauchst nun mal Eltern aus Fleisch und Blut, die sich um dich kümmern. Verstehst du das?»
Griet nickte. Adelina lächelte ihr zu. «Wir sind Fremde für dich, das ist mir bewusst. Dennoch werden wir uns um dich kümmern. Und wenn dich etwas bedrückt, darfst du jederzeit zu mir kommen.»
Wieder nickte Griet, dann senkte sie den Blick. «Hier ist es viel besser als bei Va … Stiefvater in Kortrijk. Alles ist so sauber, und nie sind betrunkene Männer da, die …» Griet rieb sich über die Augen und sah Adelina wieder an. «Und Ihr kocht auch viel besser, Frau Adelina.»
Adelina lächelte und strich Griet über die schwarzen Locken. «Das freut mich zu hören.»
«Ich hab Angst im Dunkeln.» Den Satz hatte Griet rasch ausgestoßen, so als wolle sie ihn loswerden, bevor sie der Mut verließ.
Adelina nickte leicht und tat, als sei das nichts Besonderes. «Wenn du möchtest, lassen wir die kleine Öllampe an, bis du eingeschlafen bist. Und vielleicht hast du ja ein Püppchen, das dir in der Nacht Gesellschaft leisten kann?»
Griet schüttelte traurig den Kopf. «Stiefvater hat siemir weggenommen und in den Ofen gesteckt, weil ich nicht … gehorchen wollte. Aber ich kann auch so schlafen.»
«Nun gut.» Adelina schüttelte innerlich den Kopf über diesen Mann, bei dem Griet hatte leben müssen. «Dann werde ich dich gleich allein lassen.» Sie stand auf und strich dem Mädchen noch einmal übers Haar. «Magda hat heute beim Bettenmachen dein Laken gefunden.»
Griet presste betroffen die Lippen zusammen.
«Darauf waren Blutflecken», fuhr Adelina fort. «Hast du dich irgendwo verletzt?»
Griet stieß heftig die Luft aus. «Nein, ich, äh, das war Nasenbluten.»
«Tatsächlich?» Adelina runzelte die Stirn. «Hast du das öfter?»
«Nur manchmal.» Griet schien unter ihrer Decke zu schrumpfen.
Adelina ließ es dabei bewenden, obwohl sie das Gefühl hatte, dass das Mädchen ihr etwas verschwieg. «Beim nächsten Mal brauchst du das Laken nicht zu verstecken. Und nun schlaf gut.» Sie wollte sich abwenden, doch Griet streckte ihre Arme nach ihr aus und fasste nach ihrer Hand. «Danke, Frau Adelina.»
Adelina drückte die kleine Hand kurz und lächelte wieder. Dabei fiel ihr Blick auf Griets Handgelenk. «Ist schon in Ordnung. Schlaf jetzt.» Sie nickte dem Mädchen noch einmal zu, überprüfte das Öllämpchen, dass es auch ja sicher auf dem Tisch stand, und verließ dann die Kammer.
***
Als Adelina die enge Treppe hinabstieg und an ihrem Schlafzimmer vorbeikam, sah sie, dass Neklas sich voll bekleidet auf dem großen Bett ausgestreckt hatte. Er war, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, eingenickt. Leise machte Adelina noch eine Runde durch das Haus und versicherte sich, dass alle Lichter gelöscht waren und auch sonst überall Ordnung herrschte. Dabei begegnete sie Fine, die wie ein Wächter vor Vitus’ Kammertür saß und ihr mit grün leuchtenden Augen entgegenblickte. Adelina schmunzelte. Die Katze benahm sich zuweilen wirklich merkwürdig, viel mehr wie ein Mensch als wie ein Tier. Sie hätte schwören können, wenn Fine einen Finger gehabt hätte, sie hätte ihn an die Lippen gelegt, um Adelina Stillschweigen zu signalisieren.
Sie strich der Katze sanft über den Kopf und bekam zum Dank einen gnädigen Augenaufschlag und ein kurzes Schnurren.
Zufrieden über die friedliche Stille im Haus stieg sie die Treppe wieder hoch und betrat leise die Schlafkammer. Als sie die Tür hinter sich zuzog, schlug Neklas die Augen auf.
«Hast du deinen Rundgang beendet?»
Adelina schwieg, stellte die kleine Öllampe auf der hölzernen Konsole neben dem Bett ab und setzte sich. Sie löste ihre Haube und legte sie sorgsam zusammen. Er lächelte, als sie begann, ihre fest geflochtenen schwarzen Haare zu lösen. «Du
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