Mord im Dirnenhaus
Reese. Das ist nur ein Schatten aus meiner Vergangenheit, der glaubt, er müsse mir noch immer das Leben schwer machen. Aber er kann ruhig erfahren, was wir zu besprechen haben.»
«Ihr habt einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt, hierher zu kommen.» Mit einem scheelen Blick auf den Mönch hielt Reese kurz inne, dann fuhr er fort: «Die Nerven der Räte liegen blank wegen der Verhandlungen mit Erzbischof Friedrich. Und ich muss mich für van Kneyart entschuldigen. Er scheint davon besessen zu sein, Euch, liebe Frau Adelina, als Schuldige zu sehen.»
«Vielleicht nicht ganz zu Unrecht», mischte sich Thomasius ein.
Adelina warf ihm einen vernichtenden Blick zu, den er jedoch ungerührt erwiderte. Sie atmete tief ein und schluckte die bösen Worte herunter, die sich ihr auf die Lippen drängen wollten. Stattdessen erklärte sie: «Wir mussten herkommen, denn es gibt einige Neuigkeiten, die Ihr erfahren solltet.» Sie sah Neklas kurz an und setzte hinzu: «Vielleicht erklärt sich dadurch auch van Kneyarts Eifer, uns die Schuld an den Morden zu geben.»
«Es scheint tatsächlich so», übernahm Neklas wieder das Wort, «dass sein Vetter Thönnes dieser Hübschlerin Elsbeth die Ehe angetragen hat. Zumindest hat er sie oft genug aufgesucht, um ihr zu erzählen, dass er einer, wie sie es nannte, Schweinerei im Stadtrat auf der Spur sei. Wir können nur annehmen, dass es sich um jenen Verrat handelt, den Ihr durch die besagten Briefe aufgedeckt habt. Es gab also guten Grund, Thönnes van Kneyart aus dem Weg zu schaffen, wenn man davonausgeht, dass der Verräter auch weiterhin unerkannt agieren wollte.»
«Frau Entgen ist sich sicher, dass kein Mitglied ihrer Familie in Frage kommt», ergänzte Adelina. «Doch da muss sie sich täuschen. Gesetzt den Fall, dass sie nicht selbst die Briefe an Hilger Quattermart verfasst hat, muss jemand aus ihrer Familie das Siegel benutzt haben. Vielleicht deckt sie denjenigen auch, was verständlich wäre.»
«Was uns zu Mathys van Kneyart führt, der so vehement uns die Schuld zuweisen will», schloss Neklas.
Reese runzelte die Stirn, verschränkte die Hände auf dem Rücken und begann, in der Vorhalle des Ratssaales auf und ab zu gehen.
«Mathys, meint Ihr? Liebe Zeit, das kann ich mir kaum vorstellen. Aber auszuschließen ist es wohl nicht. Wenn wir doch nur Beweise hätten! Doch wie soll er das Konfekt vergiftet haben? Wie es ins Hurenhaus gebracht haben?»
«Das sind die Fragen, die noch geklärt werden müssen.» Adelina rieb sich die Arme, über die sich eine unangenehme Gänsehaut ausbreitete. Im Zwielicht der Vorhalle fühlte sie sich plötzlich sehr unwohl. Dennoch fuhr sie fort: «Was das Gift angeht, so glaube ich, die tatsächliche Quelle gefunden zu haben. Ein hanseatischer Kaufmann namens Magnussen war nicht abgeneigt, mir Eisenhut zu beschaffen.»
Reese hob ruckartig den Kopf und trat interessiert auf sie zu. «Könnt Ihr das beweisen?»
Sie hob die Schultern und fröstelte erneut. «Noch nicht. Aber ich bin sicher, dass er es war, der dem Täter das Gift verschafft hat. Es war nicht Ludmilla.»
«Schön und gut.» Reese nahm seine Wanderung wiederauf. Aus dem Saal drangen aufgeregte Stimmen. «Doch solange wir keine Beweise oder Zeugen haben, müssen wir die Alte weiterhin festhalten.»
«Können wir noch einmal zu ihr?»
Reese zuckte mit den Schultern. «Ich wüsste nicht, was das bringen sollte.» Er blieb stehen und betrachtete Adelinas enttäuschtes Gesicht. «Meine Liebe, was liegt Euch nur an diesem Weib? Selbst wenn sie an den Morden unbeteiligt ist, wäre zu prüfen, ob sie nicht im Gefängnis zu verbleiben hat. Ihr wisst, dass sie eine Engelmacherin ist, und wer weiß, was sonst noch.»
Erbost funkelte Adelina den Ratsherrn an. «Habt Ihr dafür Beweise? Zeugen? Ihr werdet keine finden. Sie ist kein schlechter Mensch, und ganz sicher ist sie keine Hexe.»
«Ich weiß nicht …» Reese hob erneut die Schultern. «Jedenfalls bleibt sie vorerst eingesperrt. Wenn Ihr sie besuchen wollt, bitte. Doch ich rate Euch davon ab. Sie ist kein Umgang für Euch.»
Adelina ging nicht mehr weiter darauf ein, sondern wandte sich zur Treppe. «Wir sollten jetzt gehen.»
«Das ist wahr», stimmte Neklas zu. «Herr Reese, Ihr solltet nun an Eurer Sitzung teilnehmen. Und verliert vorerst noch kein Wort über das, was wir eben besprochen haben.»
«Selbstverständlich nicht.» Reese nickte ihm zu. «Doch was ist mit …» Er blickte sich suchend um. «Wo ist dieser
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