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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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sehr in Gedanken versunken, beinahe hätte ich nicht bemerkt, dass Ariadne mich an mein Ziel gebracht hatte. Es war ein ungewöhnlich schönes, fast gartenartiges Stück Land, auf das mich meine Suche nach Platon hier führte. Im Schatten von Olivenbäumen und Zypressen blühten wilde Rosenbüsche und Rhododendron. Kniehohes Gras stand zwischen den Bäumen. Vom Schatten der Ölbäume geschützt und von einem kleinen Bach getränkt, war es noch nicht zum Opfer der sonst alles ausdörrenden hellenischen Sonne geworden. Die Quelle, die den Bach speiste, entsprang bei einer Felsengruppe, die auf einem Hügel aus dem Boden ragte. Dort, wo sich der Hain ein wenig erhob, stand auch ein kleines Häuschen, zu dem ein schmaler, mit Kies bedeckter und von Bruchsteinen gesäumter Weg führte.
Ich hatte mir Platon kaum anders als Charmides vorgestellt und erwartete also die Bekanntschaft eines ebenso reichen wie kalten Stutzers zu machen. Aber ich sollte mich täuschen. Ich hatte vergessen, wie Thrasybulos von ihm gesprochen, wie er ihn gescheit und schwärmerisch, schüchtern und zurückhaltend genannt hatte. Ich ritt bis zu dem kleinen Haus, stieg ab und band Ariadne an einen Busch, als auch schon ein junger Mann aus der Tür trat und fragte, wer ich sei. Das Erste, was mir an Aristokles auffiel, war seine ungewöhnlich breite Stirn. Sie wirkte so mächtig, dass sie ihn beinahe verunstaltete, aber nur beinahe, denn seine übrigen Züge waren so klar und schön, wie man dies bei dem zwanzigjährigen attischen Prinzen, der er war, nur erwarten konnte. Allerdings war dieser Prinz alles anderes als glücklich. Seine Augen blickten mich rotgeschwollen an. Man sah, dass er bis eben noch geweint hatte. Irgendetwas an dem Ausdruck in seinem Gesicht erinnerte mich an Perianders Vater. Was das aber sein konnte, wurde mir erst später bewusst.
Platon war wenig überrascht, meinen Namen zu hören. Die Nachricht, dass ich Perianders Tod untersuchte, musste beinahe ebenso schnell zu ihm gedrungen sein wie diejenige vom Tod des Freundes selbst. Und ihn betrauerte er hier, nichts und niemand anderen. Das stand für mich außer Zweifel. Ich sah es an seinen roten Augen und daran, wie er um Fassung rang, als ich erklärte, wieso ich gekommen war. Nein, Platon war aus einem anderen Holz geschnitzt als Charmides und gewiss auch aus einem anderen als sein Bruder Glaukon – noch die Erinnerung an ihn ekelte mich.
«Ein schönes Stück Land ist das hier», begann ich unsere Unterhaltung.
«Ja», antwortete er leise, «sehr schön.» Er habe das Grundstück erst vor kurzem von Freunden erworben. Oft sei er mit Periander hier gewesen. Sie hätten große Pläne mit diesem Fleckchen Land gehabt, jede Woche einen anderen zwar … Aber so sei das eben.
«Ihr ward gute Freunde?», fragte ich, was reichlich dumm war.
Ich sah es ohnehin. Platons Stimme versagte. Er nickte nur. «Und weißt du, wo Periander vorgestern Abend gewesen ist?», fuhr ich fort, während wir uns auf eine Steinbank setzten, die vor dem Haus stand.
Platon schüttelte den Kopf. Periander habe sich in den letzten Wochen zurückgezogen, fast isoliert, antwortete er. Er habe ihn nicht mehr oft gesehen.
«Warum nicht?», wollte ich wissen. Platon zuckte zusammen und schwieg lang. Dann sah er mich mit dem Ausdruck an, der mich so an Perianders Vater erinnerte. Seit er von seinem Tod erfahren habe, stelle er sich diese Frage, antwortete er. Er vermochte es nicht zu sagen.
«Sokrates meinte, er sei verändert gewesen. Etwas habe ihn bedrückt. Periander wollte sich ihm aber nicht anvertrauen», bemerkte ich.
«Ja, das stimmt», antwortete Platon. «Er hatte etwas auf dem Herzen.»
«Und du weißt nicht, was es war?»
«Nein», entgegnete er und kämpfte gegen die Tränen, die ihm in die Augen treten wollten.
Er schlug die Hände vor das Gesicht. Es waren feine, schlanke und weiße Hände, beinahe die Hände einer Frau. Ich gab ihm Zeit, sich zu beruhigen, und wartete mit meiner nächsten Frage, bis er mich wieder ansehen konnte. «Meinst du, er hatte vielleicht Liebeskummer?» Ich hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da schossen die Tränen endgültig in Platons Augen und ein heftiges Schluchzen entfuhr seiner Brust. Da wusste ich es unmittelbar: Hier saß nicht nur Perianders Freund neben mir; Thrasybulos hatte sehr wohl gewusst, wieso er seiner Stimme gestern einen gewissen Klang gegeben hatte.
«Du hast ihn geliebt!», sagte ich, und das war keine Frage. Es war eine schlichte

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