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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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misstrauischem, aber trübem Blick an. Die Haare klebten ihm verschwitzt am Schädel.
«Was willst du von meinem Sohn?», fragte er. Sein Atem stank nach Fusel.
«Ich möchte ihn nur sprechen. Ich muss ihn etwas fragen.»
Er lachte abschätzig. Ohne aus der Tür zu gehen, wandte er den Kopf und rief hinter sich ins Haus: «Lykon, komm herunter! Du hast hohen Besuch!» Dann drehte er sich wieder zu mir und betrachtete mich feindselig. Er richtete kein Wort mehr an mich. Er dachte auch gar nicht daran, mich hereinzubitten.
«Wer ist es denn?», hörte ich jemanden im Haus fragen. Das musste Lykon sein, aber ich erkannte seine Stimme kaum wieder. Statt zu antworten, öffnete Lykons Vater die Tür einfach einen Spaltbreit weiter. Lykon sah mir unmittelbar ins Gesicht und erbleichte.
«Nikomachos, du?», sagte er ungläubig und beeilte sich, seinen Chiton vor der Brust zu verschließen. Er hatte sich augenscheinlich gerade erst angezogen. Dann zwängte er sich an seinem Vater vorbei aus dem Haus, nahm mich am Arm und zog mich weg.
«Komm mit, wir gehen ein Stück», sagte er, während sein Vater in der Tür stehen blieb und mich und seinen Sohn mit unverhohlener Verachtung betrachtete.
Lykon führte mich ein paar Schritte die Gasse hinunter. Es dämmerte, aber noch war das Licht gut genug, um das Weiß im Auge des Feindes zu sehen. Lykon war fast erwachsen geworden. Er war größer als ich, und der Schatten eines kräftigen Bartes verdunkelte sein Gesicht. Trotzdem wirkte sein Körper weich wie der Leib eines Mädchens, und ebenso bewegte er sich. Sein Haar war lang und parfümiert, seine Augen geschminkt.
«Also, was willst du von mir?», fragte er, als uns sein Vater nicht mehr sehen konnte. Seine Mannbarkeit hatte ihm eine tiefe Stimme und einen kräftigen Adamsapfel beschert, trotzdem gab er sich die größte Mühe, seinen Worten einen einschmeichelnden Klang zu geben.
«Nichts, ich wollte dich nur wiedersehen. Ich wollte wissen, ob es dir gut geht», antwortete ich.
«Oh, Nikomachos, das ist lieb, aber gelogen, und du warst schon immer ein schlechter Lügner», antwortete er und schlug die Augen auf. Er hatte mich durchschaut, was offenbar auch nicht allzu schwer war.
«Du hast recht, mein Lieber», erwiderte ich und gab mir Mühe, ebenso falsch zu lächeln wie er, «ich war schon immer ein schlechter Lügner – im Gegensatz zu dir möglicherweise?»
Lykon zuckte gleichgütig mit den Schultern. Ich musste mir schon etwas anderes einfallen lassen, um ihn in Verlegenheit zu bringen.
«Was willst du also?», wiederholte er seine Frage. Der Ton seiner Stimme hatte alles Einschmeichelnde mit einem Schlag verloren.
Ich wollte gerade antworten, als wir an einen kleinen Platz kamen. Es war wohl eher eine Lücke zwischen den Häusern als ein Treffpunkt für die Nachbarn, aber immerhin standen dort ein alter Brunnen und eine einfach gezimmerte Bank. Ein paar Knaben lungerten herum. Sie lachten spöttisch.
«Na, Lykon, wer ist denn dein neuer Freund?», rief ein sommersprossiger Kerl, drehte sich um und wackelte mit dem Hintern.
«Hurensohn!», fluchte Lykon und zog mich weiter. Die Jungs hinter uns prusteten los und bedachten uns mit Gesten, die an Eindeutigkeit nichts vermissen ließen. Ich ignorierte sie, Lykon zuliebe.
«Siehst du Kritias noch?», fragte ich, nachdem wir den Platz und Lykons reizende Nachbarn hinter uns gelassen hatten.
«Von Zeit zu Zeit», erwiderte er gleichgültig.
«Ich hoffe, er unterstützt dich, wie es sich für einen so reichen und angesehenen Mann gehört», bemerkte ich. Ich wollte beiläufig klingen, aber irgendetwas schnürte mir die Kehle zu. Lykon blieb stehen und baute sich vor mir auf. Seine Augen funkelten trotzig.
«Ich war nicht deswegen mit Kritias zusammen, weil er reich ist, auch wenn das alle zu glauben scheinen», sagte er bestimmt.
«Ach, und warum warst du mit ihm zusammen?», fragte ich überrascht.
«Ich …» Lykon stockte.
«Was?»
«Nichts. Schon gut. Ich möchte deine Gefühle nicht verletzen.»
«Sorge dich nicht um meine Gefühle. Sprich ruhig weiter.»
«Mir lag etwas an ihm», gestand er zögernd, drehte sich weg und ging weiter. Mir war, als nähme mir etwas den Atem.
«Das heißt nicht, dass mir an dir nichts lag», rief Lykon mir zu, als er bemerkte, dass ich ihm nicht mehr folgte, aber natürlich hieß es genau das.
«Schon gut», antwortete ich und beeilte mich, ihn einzuholen. «Das ist lange her. Alte Geschichte, vergessen wir das! Ich will nur eins von dir

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