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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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Bewusstseinszustand verharren, illusorisch sei: Auf Dauerreize reagiert die Gehirnchemie damit, dass sie die Reizschwelle bis zur Unendlichkeit erhöht, was dazu führt, dass auch eine erhöhte Dosis keine Wirkung mehr zeitigt.
    Deswegen müsse die Funktion der Moleküle, die unseren Spirit für die eine halbe Stunde so deutlich verändert und verbessert hatte, eine andere sein. Das Ganze funktioniere, wie man mittlerweile ziemlich klar wisse, auch umgekehrt: Unser Spirit kann unsere Gehirnchemie verändern. Das heisst, wir können auch mit Leistungen unseres Geistes und unserer Seele jenen Bewusstseinszustand erleben, den wir gerade erfahren haben.
    Um diese Leistungen zu erbringen, braucht es einen überzeugenden Anreiz. Dabei hilft mehr als jede noch so ausgeklügelte Theorie die eigene Erfahrung, dass dieser Zustand möglich ist und existiert. Appenzeller Secret lässt uns für eine halbe Stunde in diese Räume eintreten, und wenn die Türen wieder verschlossen und wir draussen sind, wissen wir jetzt, dass diese Räume existieren, gar nicht weit von uns, sodass wir jederzeit dahin gelangen können.
    So philosophierten wir am Ufer des Baches, der von unseren geistigen Höhenflügen unbeeindruckt sein ewiges Lied weitersang, ein Weilchen vor uns hin, bis Helen meinte, nun müsse das gelungene Werk aber doch gebührend gefeiert werden. Aus ihrem Rucksack zauberte sie sieben Plastikbecher, die sie mit dem Inhalt einer Champagnerflasche füllte, welche sie vorsorglich im Bach an einer ruhigen und tiefen Stelle gekühlt hatte.
    Als ich mich das zweite Mal in die Büsche schlug, um einem menschlichen Bedürfnis nachzugeben, stolzierte in keinen zwei Metern Entfernung eine schwarze Katze auf samtenen Pfoten vorbei, blieb stehen und blickte mir eine geraume Weile tief in die Augen, wobei die durch das Blätterdach tanzenden Sonnenkringel ihre eigenen Augen unergründlich grün wirken liessen, und entfernte sich dann offenkundig völlig unbeeindruckt von unserer weltbewegenden Entdeckung in die Tiefen des Waldes.
    Aus einem angeborenen Widerwillen dagegen, das zu glauben, was alle glauben, habe ich eines Tages beschlossen, schwarze Katzen grundsätzlich als Glückssymbol zu sehen. Und das hatte sich wieder einmal als richtig erwiesen.

Mutmaßungen
    «Dann geht es also in diesem Fall nicht um die Herstellung von Appenzeller Käse, sondern um dessen Wirkung», stellte Adelina scharfsichtig fest, «und deshalb macht auch diese Drohung Sinn.» Sie hatte immer wieder auf den Ausdruck des Screenshots gestarrt und offenbar ihre Schlüsse gezogen.
    Ich setzte mich neben sie auf die Couch, damit wir das Bild gemeinsam betrachten konnten. Die Bedeutung des Lösungsworts im Kreuzworträtsel sei ja wohl klar, hub sie an, nach allem, was sie gerade gehört habe, könne es nur um das Projekt «Soma» gehen. Der Hinweis auf der anderen Seite der dicken Grenzlinie sei für sie weniger klar. Immerhin gebe er für sie eine Richtung vor. Laut las sie die Meldung noch einmal vor: «Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schätzt, dass bereits 2015 die Hälfte unserer Nahrungsmittel ‹Functional Food› sein wird – also Produkte, die uns versprechen, wir würden durch den Konsum schöner, gesünder oder leistungsfähiger.»
    Diese Schätzung hielte ich für deutlich übertrieben, teilte ich Adelina mit, doch sie schalt mich einen Korinthenkacker. Es käme doch hier nicht auf die Details an, sondern auf das Grosse und Ganze, und worauf es eben ankäme sei, dass es um sehr viel Geld gehe. Und damit auch um sehr viel Macht. Natürlich würden die Nahrungs-Multis liebend gern industriell gefertigte Lebensmittel verkaufen, die nicht nur schöner, gesünder und leistungsfähiger machen, sondern auch glücklicher. Angesichts der verzweifelten Glückssuche vieler Menschen wäre das ein Bombengeschäft.
    Ich musste ihr recht geben. Die grossen Nahrungsmittel-Konzerne waren natürlich seit Jahren daran, in diesem Bereich ihre neuen Claims abzustecken. Dazu gehörte ebenso, das eigene Territorium gegen Eindringlinge zu verteidigen. Bei den Gewinnaussichten, um die es da ging, lag es nahe, dass für diese Verteidigung so ziemlich zu allen Mitteln gegriffen würde. War das der gesuchte Hinweis auf den Absender der Drohung?
    Das habe sie mit genereller Richtung gemeint, entgegnete Adelina, denn konkretere Hinweise enthielte die Meldung ja nicht. Wichtiger sei es im Moment zu überlegen, was denn der Absender der Drohung eigentlich bezwecke, das

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