Mord im Tal der Koenige - Historischer Roman
dumpfen Rhythmus schlugen, dann junge Frauen mit Laute und Harfe, mit Sistrum und Doppelflöte. Die Menschen jubelten auf und es klang so laut, dass Rechmire glaubte, die Mauern des Tempels müssten jeden Augenblick einstürzen.
Den Musikantinnen folgten die Sängerinnen des Amun. Rechmires Herzschlag setzte aus, als er einen Blick auf Baketamun werfen konnte, bevor sich die Sängerinnen wieder in den Hintergrund zurückzogen. Nackte Tänzerinnen stürzten in den Hof wie Fleisch gewordene Dämonen, die einen wilden Reigen aufführten. Sie hatten sich mit Honig Perücken auf ihre kahl geschorenen Köpfe geklebt, in deren lange Haare kleine bunte Steine eingeflochten waren, damit sie wie dunkle Fächer durch die Luft wirbelten. Junge Priester in weißen Leinengewändern trugen schwere Bronzeschüsseln ins Freie, in denen große Mengen von Weihrauch aus Punt und Nubien mit betäubendem Geruch verglühten.
Dann trat des Pharaos Leibgarde vor. Die Soldaten trugen ovale, bunt bemalte Schilde aus Holz oder die wie eine Acht geformten Bronzeschilde der Hethiter, Speere mit langen Schäften aus Ebenholz und blitzende Krummschwerter aus Bronze. Auf ein scharfes Kommando hin rissen sie ihre Waffen in die Höhe.
Die Begeisterung der Menge war inzwischen so groß geworden, dass hundert Medjai mit langen Knüppeln, die sie an beiden Enden wie Stangen gepackt hielten, die Menschen nur mühsam so weit zurückdrängen konnten, dass in der Mitte des Hofes eine schmale Gasse frei blieb. Einige Frauen waren in dem Gedränge und der langsam zunehmenden Hitze bereits ohnmächtig geworden und mussten von Tempelsklaven in den Schatten der Gärten getragen werden.
Dann endlich verließ der Gott das Allerheiligste.
Userhet schritt mit zeremonieller Langsamkeit aus dem Schatten der Säulenhalle. Der Hohepriester trug ein Pantherfell, auf seiner mächtigen Brust ruhte eine Kette aus vierundzwanzig goldenen Widderköpfen.
Ihm folgte die Barke des Gottes, die von vierundzwanzig weiß gewandeten Priestern getragen wurde. Weitere Priester gossen Wasser auf die schmale freie Gasse im Ersten Hof und verbrannten dort Weihrauch. Einer führte einen weißen Widder, das Tier Amuns, an einer Kette aus purem Gold vor dem Zug her. Alle gingen rückwärts, damit sie ihr Gesicht nicht für einen Augenblick von Amun abwandten.
Der Gott selbst war unsichtbar. Sein goldenes Bild war in einem Schrein aus Zedernholz und Elfenbein den Blicken der Sterblichen entzogen, während die Barke langsam aus dem Schatten der Säulen getragen wurde. Doch jeder spürte die Anwesenheit des Königs der Götter, des Schutzherrn der Beiden Reiche.
Die Menschen warfen sich nieder, drückten ihre Stirn in den Staub und streckten die Hände demutsvoll nach oben. Nur hin und wieder wagte es jemand, einen verstohlenen Blick auf die Barke zu werfen, die langsam an ihnen vorbeigetragen wurde, oder gar einen Fetzen Papyrus, ein Tontäfelchen oder einen Steinsplitter mit einer flehentlichen Bitte an Amun auf den Weg zu werfen, den der Gott nehmen würde.
Die Menschen blieben auf den Knien, als Amuns Barke an ihnen vorüber gezogen war, doch sie hoben die Köpfe und rissen die Arme im Jubel zum Himmel empor und riefen: »Die Sonne kommt aus ihrem Horizont hervor!« Denn hinter dem Gott folgte der Pharao, sein Sohn.
Rechmire hatte, wie jeder Thebaner, das Opet-Fest gefeiert, seit er sich zurückerinnern konnte. Doch niemals zuvor hatte er einen Platz gefunden, auf dem er dem Pharao so nahe gewesen war wie im Großen Hof des Amuntempels. Zum ersten Mal sah er den Herrn der Beiden Reiche.
Merenptah stand in einem vergoldeten Streitwagen, der von zwei dunklen Hengsten gezogen wurde, auf deren Köpfen hohe, bunte Federbüsche im Luftzug tanzten. Der Pharao trug ein reich drapiertes Gewand. »Die beiden Mächtigen«, die weiße Krone für das Obere und die rote Krone für das Untere Reich zierten seinen Kopf, auf seiner Stirn wand sich die schützende Uräusschlange.
Merenptah war, trotz seiner rund siebzig Jahre, ein großer Mann mit einem massigen Körper und einem auffallend runden Kopf. Von seinem Vater hatte er die große Hakennase geerbt. Doch hatte er nicht die Augen von Ramses dem Zweiten, deren stechender Glanz im ganzen Lande Kemet berühmt und gefürchtet war, sondern einen müden, etwas trägen Blick, weil seine Lider schwer und stets ein wenig geschlossen waren.
Der Pharao schien die jubelnde Menge nicht zu bemerken. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet, wo jenseits
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