Mord in Babelsberg
streckte dem Arzt die Hand hin. »Ich bedanke mich sehr für Ihre Hilfe. Wir melden uns, sobald wir die Gegenüberstellung durchführen können.«
Hartung ergriff sie. »Ein Fachmann gesteht sich ungern ein, dass ihn ein Laie widerlegt hat. Aber ich gebe zu, Sie haben in kurzer Zeit mehr erreicht als ich in Wochen.«
Hasselmann hatte einen Filmprojektor aufgebaut. Das Besprechungszimmer war abgedunkelt, der Tisch an die Wand geschoben, die Stühle hatte man in Reihen aufgestellt. Obwohl der Raum an ein Kino erinnerte, spürte man nichts von der amüsierten Leichtigkeit, die ein Abend im Lichtspielhaus gewöhnlich bot. Alle waren sich der Tatsache bewusst, dass die Filme der Schlüssel zu ihrem Fall waren; Leo spürte die Erwartung, die in der Luft lag, aber auch eine gewisse Beklommenheit.
»Soll ich mit dem ersten anfangen, Herr Kommissar?«, fragte Hasselmann, der mit der Bedienung des Projektors vertraut war.
»Legen Sie los.«
Danach sprach niemand mehr. Diese Männer begegneten täglich den Schattenseiten der menschlichen Natur, doch was sie hier sahen, löste Grauen und Ekel aus. Keinem von ihnen war Sexualität fremd, auch im Präsidium machten gelegentlich anzügliche Fotos die Runde, doch was in diesem Film gezeigt wurde, hatte mit Liebe und Erotik nichts zu tun, es war entwürdigend, schmutzig und brutal. Gelegentlich hörte man ein verlegenes Räuspern, jemand schluckte hörbar.
Als der Film zu Ende war, fragte Hasselmann zögernd: »Und jetzt, Herr Kommissar? Es sind vierundzwanzig.«
Leo dachte an die Daten in Königs Notizbuch. »Nehmen Sie den letzten.« Er wünschte sich fast, seine Ahnung möge sich nicht erfüllen.
Hasselmann leuchtete mit einer Taschenlampe, während er in der Kiste mit den Filmdosen wühlte, und machte sich am Projektor zu schaffen. Als der Titel über die Leinwand flackerte, ging ein Raunen durchs Zimmer.
Rotes Glas – Schicksal einer Bauernmagd
Obwohl Leo Johanna Gerber nie mit offenen, langen Haaren gesehen hatte, erkannte er sie sofort. Dichte dunkle Wellen, die bis zu den Ellbogen reichten. Große Augen, die seltsam tot wirkten. Ein wohlgerundeter Körper, ohne eine Spur von Magerkeit.
Der Film war ebenso fürchterlich wie der andere. Verblüffend war nur, mit welcher Dreistigkeit Viktor König seinen Filmstoff über den Magier Johann Kunckel von Löwenstern für dieses pornographische Machwerk benutzt hatte. Die Geschichte wies eine entfernte Ähnlichkeit mit seinem letzten Erfolg auf, doch war dieser Alchemist hier tatsächlich ein schwarzer Magier, der ein unschuldiges Bauernmädchen mit rotem Zauberglas betörte und sich danach an ihm verging.
Alle atmeten auf, als der Projektor surrend zum Stehen kam.
»Meine Herren, ich nehme an, Sie haben Johanna Gerber erkannt. Diese Filme hat Viktor König gedreht und an die Kunden aus seinem Notizbuch verkauft. Das erklärt, wie er sich das Haus und die Kunstsammlung leisten konnte. Das hier sind keine Filmchen für irgendwelche Hinterzimmer oder Bordelle, mit denen kann man nichts verdienen. Das hier war exklusiv.«
»Der Täter muss den Film kennen oder davon gehört haben. Rotes Glas«, sagte Walther.
»Rache?«, fragte Sonnenschein.
Leo nickte. »Sieht ganz so aus.«
23
Dr. Hartung wirkte überrascht, als er eine Gruppe aus neun Männern in seinem Vorzimmer erblickte. »So viele?«, fragte er Leo.
»Nur fünf. Die anderen sind meine Kollegen.«
Ernst Köhler, Otto Bender und die drei anderen schauten zu Boden. Keiner sagte ein Wort. Sie waren anstandslos mit aufs Präsidium gekommen, nur Köhler hatte gemurrt, aber das war zu erwarten gewesen. Zum Glück waren alle vernünftig und sahen ein, dass man ihnen zu diesem Zeitpunkt noch kein Verbrechen vorwarf, sondern an ihren Aussagen interessiert war. Vor allem der junge Bender wirkte völlig eingeschüchtert und warf Leo einen hilfesuchenden Blick zu.
»Kommen Sie mit«, sagte Hartung. Leo, Walther, Sonnenschein und Friedrichs begleiteten die fünf Männer zu dem kleinen Raum, in dem Leo mit Johanna Gerber gesprochen hatte. An der Tür hielt er inne. »Sie gehen nacheinander hinein und bleiben auf der Stelle stehen, die mit einem Kreidekreuz markiert ist. Sie werden nicht reagieren, nichts sagen, keine Grimassen schneiden. Neutraler Blick, die Augen auf die Wand gerichtet. Auf mein Zeichen kommen Sie wieder heraus. Verstanden?«
Die Männer nickten. Leo bemerkte, dass Otto Benders Hände zitterten. Er würde ihn als Ersten hineinschicken, dann hatte er es
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