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Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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ordentlich gekleidet und frisiert, nur ihr panischer Blick verriet, dass etwas nicht stimmte. »Kennen Sie moderne Kunst?«
    Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. Hatte sie getrunken?
    »Jetzt beruhigen Sie sich mal.«
    Die Frau ignorierte seine Worte. »Ich habe es in einer Illustrierten gesehen. Lauter bunte Flecken, wild durcheinander.Man kann nichts darauf erkennen, keine Menschen oder Häuser oder Landschaften. Nur diese Flecken.«
    Oberwachtmeister Schmehl beugte sich vor und roch an ihrem Atem, woraufhin sie empört zurückwich. »Ich bin nicht betrunken. Sie sind da drüben, die Flecken. Kommen Sie.«
    Er folgte ihr über das Kopfsteinpflaster in den Innenhof mit den weißen Fassaden, Rasenflächen und Bäumen, dessen Schönheit und Ruhe ihn oft erfreut hatten. Er beneidete die Menschen, die hier wohnten, mitten in der Stadt und doch fernab ihrer lauten Geschäftigkeit.
    Oberwachtmeister Schmehl arbeitete erst seit einem Jahr auf diesem Revier. Er war seit fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei und nicht mehr leicht zu erschüttern. Aber er hatte gehofft, das Elend der Mietskasernen, das er von seiner alten Streife in Friedrichshain kannte, hinter sich zu lassen. Dort hatte er abgemagerte, misshandelte Frauen und Kinder gesehen, verwüstete Wohnungen, in denen Betrunkene ihre letzten Habseligkeiten zertrümmert hatten. Jämmerliche Diebstähle, Betrügereien, Mundraub, nichts war ihm fremd. Er hatte gelernt, die Bilder nach Dienstschluss nicht mit nach Hause zu nehmen und als Erstes seine Frau zu umarmen, wenn er die Wohnung betrat. Luise hatte sich gefreut, als man ihn nach Kreuzberg versetzt hatte, in ein ruhiges Revier, in dem er hoffentlich bis zur Pensionierung bleiben würde.
    Auf das, was die Frau ihm zeigte, war er trotz seiner langen Berufserfahrung nicht vorbereitet. Es stimmte, die roten Flecken auf der weißen Mauer erinnerten an ein abstraktes Gemälde. Doch das schreckliche Bild auf dem Pflaster davor hatte nichts mit Kunst zu tun.
    Er zog seine Signalpfeife hervor und blies hinein: zweimal kurz, einmal lang. Damit konnte er jeden Schutzmann in der Umgebung herbeirufen.
    Er führte die Zeugin zur Hausmeisterwohnung im nächsten Gebäude und klingelte. »Maletzke« stand auf dem Türschild. Eine ältere, grauhaarige Frau öffnete noch im Morgenmantel und schaute ihn erschrocken an. »Ja, bitte?«
    »Die Dame muss sich setzen oder hinlegen. Und geben Sie ihr ein Glas Wasser.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Das werden Sie noch früh genug erfahren. Kümmern Sie sich bitte um die Frau.« Oberwachtmeister Schmehl führte die Zeugin in die Küche und half ihr, auf einem Stuhl Platz zu nehmen. Er wartete, bis Frau Maletzke an die Spüle trat und ein Glas aus dem Regal nahm, bevor er wieder hinauslief, um den Tatort zu sichern. Er musste verhindern, dass der nächste ahnungslose Passant einen ähnlichen Schock erlitt.
    Die Frau lag auf dem Rücken, die Beine ausgestreckt und leicht gespreizt. Hals, Schultern und Brust waren mit Blut bedeckt, unter der Toten hatte sich eine Lache gebildet. Schmehl fühlte sich weniger an moderne Kunst als an einen Schlachthof erinnert. Er wusste, dass er nichts anrühren durfte. Ernst Gennat hatte durchgesetzt, dass an einem Tatort nichts verändert wurde, bevor ein Ermittler eingetroffen war. Sobald genügend Kollegen da waren, um die Zugänge zum Innenhof abzusichern und Zeugen zu ermitteln, würde er die Inspektion A im Präsidium verständigen. Dies war ein Fall für Gennats Leute.
    Er schaute sich um. Ein Mann ging mit seinem Hund die Hagelberger Straße entlang, ohne einen Blick in den Hofgarten zu werfen. Nur gut, dass es noch so früh am Morgen war. Wer es eilig hatte, nahm nämlich gern die Abkürzung durch die Anlage.
    Schmehl betrachtete die Tote aus dem Augenwinkel und hakte im Geist einige Punkte ab: Gut gekleidet. Teure Schuhe. Seidenstrümpfe. Die Spritzer, die bis an die Wand reichten, und die Menge des Blutes deuteten auf eine Verletzung derHalsschlagader hin. Der Täter musste mit äußerster Gewalt vorgegangen sein.
    Dann hörte er ein Motorengeräusch und sah erleichtert, wie ein Mannschaftswagen vor dem Eingang Yorckstraße hielt.
    Jetzt war er mit der Toten nicht mehr allein.
    »Hast du gut geschlafen?«, fragte Clara beim Frühstück und schaute Leo über die Kaffeetasse hinweg an. Sie hatte das Fenster geöffnet, der frühsommerliche Duft der blühenden Linden wehte herein. »Wegen der Geschichte in Breslau, meine ich.«
    Sie warf einen

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