Mord in Babelsberg
»Nein. Am nächsten Morgen stand früh eine wichtige Besprechung mit Minister Stresemann an, daher habe ich ihr ein Taxi gerufen und bin selbst mit einem nach Hause gefahren, da ich getrunken hatte.«
»Sie sind also nicht in der Nähe ihres Wohnhauses gewesen?«, vergewisserte sich Leo noch einmal.
»Nein. Sie können doch sicherlich den Taxifahrer ermitteln.«
Leo erhob sich, Walther ebenfalls.
»Danke für Ihre Bereitschaft, mit uns zu sprechen«, sagte Leo und griff nach seinem Hut. »Sollten wir weitere Fragen haben, melden wir uns wieder.«
Draußen im Flur sahen sie einander an.
»Der war’s nicht«, sagte Walther. »Wir werden sein Alibi überprüfen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Wahrheit gesagt hat.«
9
Jakob Sonnenschein stand vor der Tür des eleganten Frisiersalons und strich sich unwillkürlich über die dunklen Locken, die sich selbst mit Pomade nicht bändigen ließen. »Salon Lou« war in goldener Schrift auf dem Glas zu lesen. Er stieß die Tür auf, worauf eine helle Ladenglocke ertönte.
Warum musste ausgerechnet er den Namen des Salons in Marlene Dornows Adressbuch entdecken, woraufhin man ihn in dieses feminine Etablissement geschickt hatte, dessen Wände mit Fotos von Filmschauspielerinnen geschmückt waren? Etwas Handfestes wie ein Eisenwarenladen wäre ihm lieber gewesen. Doch jetzt war er hier und musste das Beste daraus machen.
Eine junge Frau mit exaktem Bubikopf, der nicht so recht zu ihrem zartrosa Kittel passte, schwebte auf ihn zu, umwogt von einer unsichtbaren Wolke aus Veilchenduft und Lilie.
»Guten Tag, der Herr. Wir sind ein Damensalon, bemühen uns aber, alle Kunden zufriedenzustellen.« Der leicht anzügliche Blick, mit dem sie ihn bedachte, ließ ihn erröten. Er räusperte sich und zeigte seine Dienstmarke vor.
»Kriminalassistent Sonnenschein.«
»Sind Sie von der Kripo?«, fragte die junge Frau aufgeregt.
»Ja. Morddezernat«, fügte er hinzu.
Eine dunkelhaarige Frau von etwa vierzig Jahren mit einer Brennschere in der Hand tauchte hinter ihr auf. Sonnenschein zuckte zusammen, als sein Blick auf das gefährlich wirkende Utensil fiel.
»Verzeihung.« Sie legte die Brennschere weg und sah ihnfragend an. »Louise Kern, ich bin die Besitzerin. Sie sind von der Polizei? Worum geht es denn?«
Er wies sich aus. »Kennen Sie eine Marlene Dornow?«
»Natürlich, sie ist seit Jahren bei uns Kundin. Ist etwas passiert? Hatte sie einen Unfall?«
»Er sagt, er kommt vom Morddezernat«, erklärte die junge Friseuse und sah ihre Chefin mit großen Augen an.
»Evchen, geh mal nach hinten, Wellenreiter sortieren«, sagte Frau Kern in unmissverständlichem Ton und deutete, wieder zu Sonnenschein gewandt, auf zwei Stühle, die in einer Nische standen. »Bitte.«
»Ein Frisiersalon ist ein Ort, an dem die Leute gesprächig werden«, sagte Sonnenschein, nachdem er Platz genommen hatte. »Sie vertrauen sich ihren Friseuren an, vor allem Frauen, das ist allgemein bekannt.«
»Ist das bei Männern anders?«, fragte die Inhaberin mit gespielter Neugier.
»Ich pflege mit meinem Friseur jedenfalls keine privaten Dinge zu besprechen«, sagte Sonnenschein, um Fassung bemüht.
Ein Lächeln huschte über Frau Kerns Gesicht, wobei sich die Falten vertieften.
»Es gibt immer Ausnahmen.« Dann wurde sie ernst. »Was ist mit Fräulein Dornow passiert?«
»Sie wurde vorgestern tot aufgefunden. Sie ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen«, sagte er leise.
Louise Kern öffnete den Mund, sagte aber nichts, sondern legte die Hand davor. Er hörte, wie sie tief durchatmete. »Mein Gott. Wie …«
»Dazu kann ich nichts sagen, Frau Kern. Bitte erzählen Sie mir, wie lange Sie Fräulein Dornow kannten und was Sie über ihr Privatleben wissen. Auch Klatschgeschichten. Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben. Alles kann zur Aufklärung beitragen.«
Die Friseuse nickte knapp. »Sie war seit vier, fünf Jahren meine Kundin. Legte großen Wert auf eine moderne Frisur und hat schon früh einen Bubikopf getragen. Es sah wunderbar aus bei ihren Haaren, so eine ungewöhnliche Farbe.« Sie schloss kurz die Augen und hielt sich eine Hand an die Schläfe. »Verzeihung.«
»Schon gut. Es ist ein Schock, das zu erfahren.«
»Sie kam alle vier Wochen zum Nachschneiden, bei besonderen Anlässen auch zwischendurch oder für eine kosmetische Behandlung. Ich biete außerdem eine Kopfmassage an, die sehr entspannend wirkt. Sie gab immer ein großzügiges Trinkgeld und schien
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