Mord in Babelsberg
Ungeduld mit. »Ich habe zu tun, es stehen wichtige Entscheidungen an. Daher muss ich Sie bitten …«
»Herr Hellwig, ich schlage vor, wir unterhalten uns in Ihrem Büro.« Leo warf einen Seitenblick auf die Sekretärin, woraufhin Hellwig nickte.
»Gut, kommen Sie. Aber, wie gesagt, ich bin in Eile. Keine Anrufe, Fräulein Merz.«
Er ließ Leo und Walther eintreten und schloss die Tür hinter ihnen.
»Bitte, nehmen Sie Platz.«
Das Zimmer war grau von Zigarrenrauch, der durch die Sommerhitze nicht angenehmer wurde. Hellwig nahm eine halb gerauchte Zigarre aus dem großen Messingaschenbecher, der auf dem Schreibtisch stand, zündete sie erneut an und setzte sich.
»Nun?«
»Kennen Sie Fräulein Marlene Dornow?«
Hut ab, dachte Leo, er hat sich ausgezeichnet in der Gewalt. Die Reaktion war kaum zu sehen, ein Schlucken, ein rascher Blick zur Tür, dann stimmte die Fassade wieder.
»Der Name sagt mir nichts. Sollte ich die Dame kennen?«
Leo überlegte, was in den Zeitungen gestanden hatte. Nicht viel, sie hatten bislang nur knappe Informationen an die Presse gegeben. Es war immer gut, wenn die Leute nicht auf Fragen vorbereitet waren.
»Sie wurde vorgestern Morgen tot aufgefunden. Sie ist einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen.« Er ließ Hellwig nicht aus den Augen. »Wir haben bei unseren Ermittlungen ein Etui mit einer Perlenkette gefunden. Darin befand sich eine von Ihnen geschriebene Karte.«
Die Zigarre fiel zu Boden und rollte unter den Schreibtisch. Der Politiker war aschfahl geworden.
»Herr Hellwig, Sie werden verstehen, dass wir allen Hinweisen nachgehen müssen. Woher kannten Sie die Tote, und in welcher Beziehung standen Sie zu ihr?«
Nebenan klingelte das Telefon, doch die Sekretärin hielt sich an die Anweisung und stellte nicht durch.
»Wir sind … wir waren befreundet.«
»Eng befreundet?«, fragte Walther, der mitstenographierte.
Hellwig nickte.
»Seit wann kennen Sie einander?«
»Seit etwa zwei Monaten. Sie … wir haben uns in einem … Nachtclub kennengelernt. Sie war mit Freunden da, kam an meinen Tisch, ich lud sie auf ein Glas Sekt ein, wir haben uns unterhalten. Sie war bezaubernd.«
Gewiss, dachte Leo. Sie konnte jedem Mann das Gefühl geben, er sei der Einzige auf der Welt.
»Und dann?«
»Wir haben uns ein paarmal getroffen, zuerst auswärts,dann auch bei ihr zu Hause. Ich … meine Frau weiß nichts davon. Ich bin nie die ganze Nacht geblieben, das wäre zu … zu weit gegangen.«
»Sie hegten also nicht die Absicht, sich scheiden zu lassen und Fräulein Dornow zu heiraten?«
»Niemals!« Zum ersten Mal hatte er die Stimme erhoben. »Sie sehen mich tief erschüttert, Herr Kommissar, aber ich möchte betonen, dass es keine derartigen Absichten gab. Ich liebe meine Frau, wir sind seit über dreißig Jahren verheiratet. Und ich habe einen Ruf zu verlieren.«
Das hatte für Marlens Freunde schon immer gegolten, dachte Leo ein wenig bitter. Sie war die Frau gewesen, bei der Männer ihr Vergnügen suchten, nicht mehr. Dabei schloss er sich selbst nicht aus.
»Können Sie sich vorstellen, wer ein Motiv gehabt haben könnte, Fräulein Dornow zu töten? Hatte sie mit jemandem Streit – aus Eifersucht oder finanziellen Gründen?«
»Nicht dass ich wüsste. Sie hat nichts dergleichen erwähnt. Allerdings haben wir kaum über solche Dinge gesprochen. Unsere Treffen waren eher … privater Natur.« Er beugte sich vor und sagte in vertraulicherem Ton: »Ich trage große Verantwortung in meinem Beruf. Sie kennen die politische Lage, da steht man ständig unter hoher Anspannung. Eine Bekannte wie Fräulein Dornow hilft einem Mann, sich für einige Zeit von der Arbeit abzulenken.«
Leo ging nicht darauf ein. »Dann bleibt nur noch eine Frage, bevor wir Sie wieder Ihrer Arbeit überlassen. Wo waren Sie am Abend des 8. Juni, also am vergangenen Montag?«
Hellwig schloss die Augen und sank in seinen Sessel zurück. »Muss das wirklich sein?«
»Unbedingt, Herr Hellwig«, sagte Leo höflich.
»Ich war mit Fräulein Dornow zusammen.«
Walther warf Leo einen raschen Blick zu.
»Wo?«
»In einem Lokal in Schöneberg. Ich gebe Ihnen die Adresse.« Er schrieb etwas auf einen Notizblock, riss die Seite ab und schob sie über den Schreibtisch. »Man kennt mich dort, ich schätze das Lokal für seine Diskretion.«
»Und wie lange?«
Hellwig überlegte. »Bis kurz vor zwölf.«
»Haben Sie Fräulein Dornow nach Hause begleitet?«
Der Abgeordnete schüttelte gereizt den Kopf.
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