Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
Dreiecke und Quadrate, dazwischen schwarze Linien. Die Galeristin, die ihm vage bekannt vorkam, deren Name ihm aber nicht einfiel, stand am Ende des Raums, als hätte sie ihn erwartet. Haar wie Ebenholz, das Gesicht blass gepudert, die Lippen rot ummalt. Doch mit jedem Schritt, den er machte, schienen ihre Haare zu verbleichen, wurden heller und heller, bis sie einen Silberton angenommen hatten. Auch ihr Mund hatte sich entfärbt, das Rot war verschwunden, nein, nicht verschwunden, eher heruntergetropft, der rote Einschnitt klaffte jetzt an ihrem Hals. Sie deutete auf das Bild, das neben ihr an der Wand hing  – weiße Leinwand, ein Regen aus roten Spritzern, die über den Rahmen hinausreichten, hoch empor bis zur Decke …
    »Leo!« Er spürte, wie eine Hand seine Schulter umfasste. »Wach auf!«
    Er setzte sich hin, versuchte sich im Dämmerlicht zu orientieren. Er schluckte. Sah sich um. Zu Hause. Er war zu Hause.
    Clara schaltete die Nachttischlampe ein. »Du hast geträumt.« Sie sah ihn besorgt an.
    Er vergrub das Gesicht in den Händen und fuhr sich dann durch die Haare. »Ja, das habe ich wohl.« Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.
    Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
    Er nickte dankbar, legte sich hin, einen Arm über den Augen, und wartete, bis sich sein Puls beruhigt hatte. Nur in der ersten Zeit nach Dorotheas Tod hatte er schlecht geträumt, ansonsten waren ihm solche Reaktionen fremd. Wenn ihn ein Fall bedrückte, sprach er mit Clara darüber. Nur diesmal konnte er das nicht.
    Sie reichte ihm das Glas, legte sich neben ihn und bettete den Kopf auf seine Schulter. Mit der linken Hand strich sie sanft über seinen Arm. »Was ist los? Gestern bist du viel zu früh zur Arbeit gegangen. Und beim Abendessen hattest du keinen Hunger. Ist es wegen der Kindermorde? Oder hat es mit deinem Fall zu tun?«
    Er spürte, wie ihm das schlechte Gewissen die Kehle zuschnürte. Clara war verständnisvoll, wollte ihm helfen, und er war kurz davor, sie anzulügen. Daher zuckte er nur mit den Schultern, stellte das Glas auf den Nachttisch und drehte sich auf die Seite. »Lass uns schlafen. Es ist noch früh.«
    Das Sonnenlicht, das auf dem hellgrünen Laub der Bäume in der Beusselstraße tanzte, schien Clara zu verhöhnen. Sie fühlte sich schon erschöpft, als sie die Tür der Leihbücherei aufschloss und die Handtasche auf den Verkaufstresen fallen ließ.
    Nach Leos Albtraum hatte sie nicht mehr geschlafen, sondern dagelegen und gegrübelt, wie man es nur in den grauen Stunden vor der Morgendämmerung zu tun pflegt, in denen kleine Probleme zu Ungeheuern heranwachsen und der neue Tag wie ein unüberwindlicher Berg aus der Ebene der Nacht aufragt.
    Etwas stimmte nicht. Sie liebte Leo und glaubte, ihn gut zu kennen, doch in den letzten Tagen wirkte er seltsam abwesend. Es kam bisweilen vor, dass ihm ein Fall zu schaffen machte; sie erinnerte sich an die Suche nach Paul Görlich, einem Jungen, der zum Mitwisser eines Mordes gewordenwar. Das hatte Leo sehr bedrückt, wie immer, wenn Kinder in ein Verbrechen verwickelt waren. Aber der grauenhafte Fall in Breslau war nicht seiner.
    Die Ladenglocke riss sie aus ihren Gedanken. Eine junge Frau mit rundlichem Gesicht und blondem Bubikopf kam herein, sie suchte einen Ratgeber für werdende Mütter. Clara zeigte ihr ein Buch, das erst kürzlich erschienen war, und plauderte über die Beschwerden der Schwangerschaft.
    Bevor die junge Frau die Tür öffnete, drehte sie sich noch einmal um. »Ich freue mich so auf das Kind.«
    Dann war sie verschwunden. Als die Glocke verklungen war, trat Clara ans Fenster. Ein Gewicht legte sich auf ihre Brust, als ihr klar wurde, seit wann sich Leo so sonderbar verhielt.
    Robert Walther schaute Leo scharf an, als er dessen Büro betrat, fragte aber nur: »Was machen wir mit Hellwig?«
    »Hinfahren, was sonst?«
    »Solltest du nicht zuerst mit Werneburg sprechen?«
    Leo schloss die Schublade, in der er etwas gesucht hatte, und stand auf. »Du hast recht. Bin gleich zurück. Sag den anderen, sie sollen mit den Unterlagen der Toten weitermachen und eine Liste aller Personen aufstellen, die darin erwähnt werden. Vor allem Freundinnen und weibliche Bekannte, von denen werden wir am zuverlässigsten etwas über ihr Privatleben erfahren. Und sie sollen nach Rechnungen Ausschau halten: Modehäuser, Frisiersalons, Juweliere, Schönheitsinstitute.«
    Er nickte Walther zu und verließ das Büro.
    Ludwig Werneburg

Weitere Kostenlose Bücher