Mord in Babelsberg
auskennen, können Sie uns vielleicht weiterhelfen, Herr Klein. Es war sehr selbstlos, dass Sie Fräulein Vasary angerufen und ihr die traurige Nachricht überbracht haben.«
Der Reporter grinste und zündete sich eine billige Zigarette an. »Nicht so sarkastisch, Herr Kommissar. Ich wollte nicht, dass sie es von der Polizei erfährt. Es ist nie schön, wennplötzlich Kriminalbeamte vor der Tür stehen. Und dass man sie befragen würde, war offensichtlich. Nach der Sache mit der Stola …«
»Sagen Sie mal, Klein, wie war das mit dem Angebot aus Hollywood?«, fragte Leo, ohne auf die Anspielung einzugehen.
Klein zuckte mit den Schultern. »Nur so ein Gerücht. Aber die Amerikaner sind groß darin, uns die Stars wegzuschnappen. Pola Negri. Jannings geht auch weg. Lang ist gerade erst zurück, wer weiß, wie lange er bleibt.«
Leo dachte an Alfred Hahn, der nichts von diesen Plänen erwähnt hatte. Doch selbst wenn etwas daran war, hätte Königs Geschäftspartner noch lange kein Motiv gehabt, ihn zu töten. Von Marlen ganz zu schweigen.
»Ich weise Sie darauf hin, dass Sie verpflichtet sind, zur Aufklärung des Falles beizutragen, falls Sie etwas wissen«, sagte Leo.
»Immer zu Diensten, Herr Kommissar«, erwiderte Klein ironisch.
Leo rang kurz mit sich und fragte dann: »Eins noch. Wenn Sie so gut informiert sind, kannten Sie sicher auch Marlene Dornow.« Er sah aus dem Augenwinkel, wie Sonnenschein von seinem Notizblock aufblickte.
Der Reporter nickte. »Nur vom Namen her. Sie lebte von Männern, und das nicht schlecht. Mal ein Fabrikant, dann ein Politiker. Aber ich bin ihr nie begegnet. Sie war diskret, was man nicht von allen derartigen Damen behaupten kann. In Filmkreisen hat sie meines Wissens nicht verkehrt, jedenfalls nicht offiziell. Und ich kenne mich aus.«
Bescheidenheit ist nicht seine Stärke, dachte Leo.
»Sie können jetzt gehen. Sonnenschein, notieren Sie Herrn Kleins Adresse.«
Der Reporter lächelte zufrieden. »Ein Tipp noch, Herr Kommissar. Cherchez la femme , wie die Franzosen sagen.«
Die Straße war auch mit Hilfe eines Stadtplans gar nicht so einfach zu finden. Sie lag ziemlich versteckt in der Nähe des Bahnhofs Wedding. Hartung stellte seinen Wagen auf der belebteren Pankstraße ab und machte sich zu Fuß auf den Weg.
Düster, war sein erster Gedanke. Grau, düster, elend. Noch nie im Leben hatte Hartung so viele zerlumpte Kinder auf einem Fleck gesehen. Die Straße war nicht lang, vielleicht hundertfünfzig Meter, und wurde auf beiden Seiten von mehrstöckigen Mietshäusern gesäumt. Er kannte diese Straßen, von denen es in Berlin so viele, zu viele, gab, doch die Cösliner Straße verströmte eine besondere Trostlosigkeit, gegen die auch der strahlende Sommertag nicht ankam. Er bemühte sich, sein Entsetzen zu verbergen; er zog auch so genügend neugierige Blicke auf sich. Nur gut, dass er nicht mit dem Wagen vorgefahren war.
Hartung bereute, dass er von der Klinik gleich hierhergekommen war, statt sich erst umzuziehen. Sein heller, gut geschnittener Sommeranzug und die feinen Lederschuhe ließen ihn in dieser Gegend fehl am Platze wirken.
Das Haus Nr. 12 unterschied sich in nichts von den anderen. Graue Fassade, Torbogen in die Hinterhöfe, kleine Läden im Souterrain. Er schaute auf den Stummen Portier und hoffte, dass er den Namen Gerber hier finden würde. Je weiter hinten die Leute wohnten, desto unzuverlässiger wurden die Schilder. Spätestens im zweiten Hof interessierte sich niemand mehr dafür, wer hier lebte oder starb oder längst umgezogen war.
Gerber. Dritter Stock. Immerhin im Vorderhaus. Wer in einer solchen Straße lebte, klammerte sich vermutlich an das bisschen Wohlanständigkeit, das eine Wohnung im Vorderhaus verlieh. Hartung atmete tief durch und betrat das Treppenhaus.
Der Geruch war schlimm, und die Wärme draußen machteihn noch schlimmer. Billiges Essen, schmutzige Windeln, ein Hauch von Alkohol und kaltem Zigarettenrauch. Immerhin war es einigermaßen sauber, auch dies ein Zeichen dafür, dass man hier vorn die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hatte.
Im dritten Stock gab es drei Türen, an der rechten der Name Gerber neben dem Klingelschild. Dunkelbraunes Holz, zerkratzt, als hätte jemand einmal das Schloss aufbrechen wollen. Wohl kaum ein Einbrecher, hier war nichts zu holen. Eher ein Bewohner, der seinen Schlüssel verloren hatte.
Hartung klingelte. Eine junge Frau öffnete die Tür. Ein Kind neben sich, einen Säugling auf dem
Weitere Kostenlose Bücher