Mord in Babelsberg
Wochenende ein wichtiges Spiel hatte, das über die Meisterschaft in seiner Altersklasse entscheiden würde. Erschilderte die letzten Übungseinheiten, indem er Besteck, Butterdose und ein Stück Leberwurst als Spieler auf dem Tisch anordnete und die Taktik erklärte.
»Ich bin Mittelläufer, ich stehe also hier.« Er deutete auf eine Gabel, die mitten vor dem improvisierten Tor lag, während Marie die Augen verdrehte.
»Wir bauen den Angriff von hinten auf, über Fritz, hier links, oder Edi auf der rechten Seite. Karl ist Außenläufer«, er deutete auf die Butterdose. »Er kann toll antäuschen, dann spiele ich auf Heinz, der etwas weiter vorn wartet. Ein Pass auf Toni, vorn rechts, wenn er frei steht, oder auf Kalle, Schrägschuss, der hat einen Hammer, sag ich euch, und drin ist das Leder!«
»Wer ist der Gegner?«, fragte Leo interessiert.
»Charlottenburg. Die machen wir nass.«
Leo hob im Scherz den Zeigefinger. »Es ist gefährlich, seine Gegner zu unterschätzen, das weiß ich aus eigener Erfahrung.«
Georg grinste. »Ich weiß noch, der Typ mit dem Messer …«
Leo zog ihn am Ohr. »Nicht so frech. Ich habe ihn nicht unterschätzt, er hat mich überrascht.«
»Was war denn da?«, warf Marie ein. »Daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
»Du warst noch klein, fast ein Baby«, sagte ihr Bruder herablassend. »Also, wenn wir gewinnen, schmeißt der Trainer jedenfalls ein Grillfest. Würstchen bis zum Umfallen. Wir bekommen auch einen Siegerkranz, und es wird ein Foto gemacht. Und es gibt einen Pokal, mit Gravur, der kommt ins Vereinsheim.« Georg zögerte und schaute seinen Vater vorsichtig an. »Kannst du kommen?«
»Ehrensache.« Leo versuchte immer, sich den Sonntag für die Familie freizuhalten. Noch drei Tage, um endlich die Verbindung zwischen den Fällen zu finden. Wenn sie die hatten, wäre die Aufklärung zum Greifen nah.
Vater und Sohn diskutierten weiter über die Taktik, wobei Georg ihm die neuesten Entwicklungen aus England erklärte – er hatte einen sehr fortschrittlich denkenden Trainer, der gern über den eigenen Tellerrand hinausschaute. Sie waren so vertieft, dass Leo gar nicht merkte, wie schweigsam Clara war.
Als Leo aufstand, bemerkte er, dass sie ihm einen seltsamen Blick zuwarf. Er zog fragend eine Augenbraue hoch, doch sie schüttelte nur den Kopf und setzte den Kessel für das Spülwasser auf den Herd.
Er ging ins Schlafzimmer, legte den Kragen ab und suchte ein abgetragenes, an den Ellbogen geflicktes Hemd heraus, von dem er sich nicht trennen konnte. Es war vom vielen Waschen ganz weich geworden und symbolisierte für ihn den Beginn des Feierabends. Er wollte gerade ins Wohnzimmer gehen, als sein Blick auf seinen Nachttisch fiel. Er blieb stehen und schloss flüchtig die Augen.
»Ich habe es vor ein paar Tagen gefunden. Es muss dir aus der Tasche gefallen sein.« Clara hatte einen Blick auf das Foto in seiner Hand geworfen und sich wieder zum Spülbecken gewandt.
Die Kinder waren in ihrem Zimmer, es war völlig still in der Wohnung. Man hörte nur das Ticken der Uhr im Wohnzimmer.
»Es tut mir leid.« Er lehnte am Tisch, den Kopf gesenkt.
»Was tut dir leid?«, fragte Clara und drehte sich nun doch zu ihm herum. Sie wischte sich die Hände am Geschirrtuch ab und warf es mit einer heftigen Bewegung auf die Ablage.
»Dass ich … es dir nicht früher erzählt habe.«
»Was, Leo?«
Er streckte die Hand aus. »Komm mit.«
Sie gab zögernd nach und folgte ihm ins Wohnzimmer. Er wollte sie mit sich aufs Sofa ziehen, doch sie setzte sich stattdessenin einen Sessel, legte den Kopf ein wenig schräg und schaute ihn abwartend an. Er mochte es, wenn ihr das braune Haar ins Gesicht fiel.
»Was ist mit dem Foto? Und wovon hast du mir nichts erzählt?«
Er schluckte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Von Marlene Dornow.«
Am liebsten hätte er die Worte zurückgenommen, eine Geschichte erfunden, den entsetzten Blick aus ihrem Gesicht vertrieben.
»Du hast sie gekannt?«, fragte sie ungläubig. »Woher? Warst du deshalb in letzter Zeit so … und der Albtraum neulich? Hatte der auch damit zu tun?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vermutlich.« Verdammt, warum fiel es ihm so schwer, über solche Dinge zu sprechen? Clara konnte das viel besser, er selbst hatte es noch immer nicht gelernt.
»Wie gut hast du sie gekannt?« Clara war kein Mensch, der sich mit Halbwahrheiten oder Beschwichtigungen zufriedengab. Sie kannte ihn zu gut, als dass er ihr etwas hätte
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