Mord in der Vogelkoje
dass er darüber nicht sprechen wollte.
»Ich kenne auch Polizisten, die sich offen zu Preußen oder dem Kaiser bekannt haben und allein deswegen aus dem Amt gejagt wurden. Das waren natürlich genau diejenigen, die Mumm in den Knochen hatten und tüchtig waren. Leider fehlen diese mutigen Männer der Gesellschaft nun, muss man sagen.« Hendriksen hatte anscheinend unbekümmert vor, beim Thema zu bleiben. »Seit Beginn der Weimarer Republik haben sich viele Opportunisten nach vorne gemogelt. Kriegsgewinnler gewissermaßen. Mit einer solchen Führungsriege ist niemandem gedient. Aber wer weiß schon, wie lange der republikanische Spuk anhalten wird.«
Während Matthiesen große Augen wegen der ungewohnt offenen Kritik machte, lächelte Asmus verstohlen. Der Kapitän hatte wohl die Fronten klären wollen, bevor sie zum eigentlichen Thema kamen. »Ich weiß, was Sie meinen.Wir wollten gerne mit Ihnen über Ihre Erfahrungen als Gesellschafter der Kampener Vogelkoje sprechen«, sagte er geradeheraus.
»Die Vogelkoje«, wiederholte Hendriksen erstaunt. »Wenn Sie deswegen mit drei Mann kommen – Entschuldigung, mit zwei Mann und einem Fräulein –, läuft da offensichtlich etwas schief. Die Koje liegt doch auf der Helling aufgepallt, dachte ich.«
»Vielleicht. Wir wissen es nicht endgültig. Möglicherweise schwimmt sie auch längst in fremden Gewässern.« Asmus hielt es für geraten, sich dem seemännischen Sprachgebrauch des Kapitäns anzupassen.
»Eieiei.«
»Wenn, dann natürlich zum Nachteil der ausgeschiedenen Teilhaber.«
»Das versteht sich von selbst. Wie viele Interessenten sind denn übriggeblieben?«
»Vier. Mit Nickels Petersen weiterhin als Geschäftsführer.«
»Der war immer ein Schlitzohr«, blaffte Hendriksen. »Habe gelegentlich einen Strauß mit ihm ausgefochten bei den Versammlungen, wenn ich schon mal anwesend war.«
»Haben Sie seinetwegen die Interessentengemeinschaft verlassen?«
»Ach was. Mit Leuten kann ich umgehen. Nein, der geschäftliche Misserfolg war abzusehen. Wenn die norwegischen Enten jetzt einen anderen Kurs nehmen, kommen sie nicht mehr zurück. Wenn ich in Stockholm kein Holz mehr laden konnte, weil die Wälder erschöpft waren, sondern nach Helsinki ausweichen musste, wäre ich auch nicht eben mal in Stockholm vorbeigedampft, um zu gucken, ob es dort wieder Holz gibt. Die Logik ist ganz einfach.«
Asmus lachte. »Ja, das ist sie. Sind Sie über Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen gestolpert?«
»Nein, eigentlich nicht. Streit bekam ich mit Petersen wegen seiner harten Hand gegenüber dem Kojenmann. Petersen setzte den Lohn und die Prämien herunter, die der vorige Geschäftsführer Dücke bezahlt hatte. Andererseits musste Dücke, wenn er für größere Hilfsarbeiten Leute verpflichtete, ihnen fünf Sechstel vom Lohn aus eigener Tasche bezahlen statt wie üblich zwei Drittel.«
Petersen war offensichtlich ein ganz unangenehmer Geschäftsmann, nicht nur ihnen gegenüber, weil er möglicherweise Polizisten nicht mochte, dachte Asmus.
Hendriksen machte eine ärgerliche Handbewegung. »Es gab noch mehr, was mir nicht gefiel: Petersen verringerte das Reetdeputat, das Essen wollte er dem Kojenmann nur noch einmal pro Woche bringen lassen und so fort. Er erwies sich als rechter Geizkragen und Pfennigfuchser. Das darf man nicht machen. Wenn Leute für einen arbeiten sollen, müssen sie zufrieden sein. Unzufriedene arbeiten schlecht. Es zahlt sich nicht aus, ausgerechnet an ihnen sparen zu wollen.«
»Auch meine Erfahrung«, sagte Asmus zustimmend, musste aber zu seinem Bedauern feststellen, dass der Kapitän sich wahrscheinlich mehr für die Behandlung von Untergebenen interessierte als für den Betrieb innerhalb der Koje. »Und jetzt ist Dücke tot.«
»Etwa erschossen?«
Asmus zuckte verblüfft zusammen. »Wie kommen Sie darauf ?«
»Ich muss gelegentlich in Westerland vorbeischauen. Mein ehemaliger Beruf … Nichts Aufregendes. Fahre also recht oft die Straße nach Süden und höre häufig in Höhe der Koje Schüsse, auch mal nördlich oder südlich davon.«
»Nein, erschossen wurde Dücke nicht«, verneinte Asmus, mit den Gedanken woanders. Das offensichtlich regelmäßige Schießen in der Umgebung der Koje musste einembestimmten Zweck dienen. Möglicherweise war der Unbekannte nur das erste Opfer. »Er hat den Hals gebrochen.«
Ose beachtete die Erklärung nicht. »Will da einer die Enten absichtlich vertreiben?«, fragte sie erbost. »Mit Schüssen
Weitere Kostenlose Bücher