Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)

Titel: Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
eine Generation jünger als das Mordopfer. Zwar lag der Gedanke nahe, dass sie sich dem Land ihrer Geburt verbunden fühlte – Pitt hatte selbst gesehen, wie ihr Gesicht bei dessen Erwähnung aufgeleuchtet hatte. Aber inzwischen lebte sie seit mindestens zehn Jahren in England, und es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass sie sich für Politik interessierte oder sich auf irgendeine Weise in ihrer Jugend an irgendwelchen Aktivitäten auf diesem Gebiet beteiligt hatte.
    »Mir klingt das so, als ob Nerissa Freemarsh versuchte, den Verdacht von sich selbst auf den einzigen Menschen abzuwälzen, der ihr eingefallen ist«, sagte er.
    »Denkbar wäre das«, räumte Narraway ein. »Die Zofe, Miss Tucker, hat mir aber bestätigt, dass Adriana Blantyre an jenem Abend bei Mrs. Montserrat war, und zwar allein. Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, was der Auslöser für die Tat war. Man kann sich denken, dass Mrs. Montserrat mit ihren wirren Reden allerlei alte Erinnerungen aufgerührt hat. Wir müssen noch weit mehr über Mrs. Blantyres Vergangenheit in Erfahrung bringen und außerdem festzustellen versuchen, was Mrs. Montserrat unbeabsichtigt darüber von sich gegeben hat. Es tut mir wirklich leid.«
    Narraways Argumentation war so stichhaltig, dass Pitt nichts dagegen vorbringen konnte.
    »Da ich selbst dazu keine Möglichkeit habe«, fuhr Narraway fort, wobei eine leichte Schärfe in seine Stimme trat, »werden Sie sich im Archiv des Staatsschutzes in Bezug auf frühere Anschläge in Österreich und Kroatien kundig machen müssen, an denen Mrs. Montserrat unter Umständen beteiligt war oder von denen sie zumindest gewusst hat. Viel dürfte es da kaum geben. Ich kann Ihnen auch gern sagen, wo sich die Unterlagen befinden, habe aber keine Möglichkeit mehr, auf sie zuzugreifen.«
    Pitt sah ihn an und merkte erleichtert, dass in Narraways Blick weder Bedauern noch ein Hinweis auf das Gefühl lag, ausgeschlossen zu sein.
    »Ich werde nachsehen«, sagte er. »Ist denn sicher, dass sich sonst niemand im Haus aufgehalten haben kann?«
    »Miss Tuckers Aussage nach hat sich zur Tatzeit niemand dort befunden, wohl aber waren Blantyre wie auch Tregarron im Lauf der Woche dort.«
    Pitt spannte sich an. »Lord Tregarron? Was wollte er dort?«
    »Mit Mrs. Montserrat sprechen. Die beiden Herren werden wohl kaum Miss Freemarsh einen Besuch abgestattet haben, es sei denn aus Höflichkeit. Zumindest nach außen hin.«
    »Wie darf ich das verstehen?« Pitt hob die Brauen.
    »Wir wissen nach wie vor nicht, wer ihr Liebhaber ist«, sagte Narraway trocken.
    »Lord Tregarron hat also Mrs. Montserrat gekannt«, nahm Pitt den Faden wieder auf. »Es ist natürlich auch möglich, dass er sie wegen der Fragen aufgesucht hat, die ich ihm in Bezug auf Herzog Alois gestellt habe.«
    »Vermutlich.«
    »Vielen Dank.«
    Narraway erhob sich mit einem schiefen Lächeln. »Bleiben Sie am Ball«, mahnte er den Jüngeren. »Sie müssen unbedingt die Wahrheit ermitteln, ganz gleich, wie Sie sich entscheiden, in der Sache vorzugehen.«
    Pitt las alle archivierten Unterlagen über Erhebungen gegen das Joch der Habsburger in den vergangenen vierzig Jahren. Er hatte sie genau dort gefunden, wo es ihm Narraway gesagt hatte. Das Ergebnis war dürftig; er entnahm ihnen lediglich, wo er einen gewissen älteren Herrn namens Peter Ffitch finden konnte, der früher für den Staatsschutz gearbeitet hatte und angeblich über ein geradezu enzyklopädisches Gedächtnis verfügte. Er war seit zwanzig Jahren nicht mehr im Dienst und lebte als Witwer in einem Dörfchen in Oxfordshire, wo seine Nachbarn nicht ahnten, was für ein bewegtes Leben er einst geführt hatte.
    Pitt nahm den nächsten Zug nach Banbury und traf kurz nach Mittag dort ein. Nach einer weiteren Bahnfahrt auf einer Nebenstrecke und einem längeren Marsch durch den Regen erreichte er Ffitchs reetgedecktes Haus.
    Auf sein Klopfen hin öffnete eine dunkelhaarige Frau unbestimmten Alters, die über einem braunen Kleid eine weiße Schürze trug und ihn misstrauisch musterte.
    Pitt stellte sich vor, zeigte seinen Dienstausweis und teilte ihr mit, er müsse unbedingt mit Mr. Ffitch sprechen. Nach einigem Hin und Her ließ sie ihn ein.
    Ffitch, ein Mann von Mitte achtzig, hatte dichtes, nahezu vollständig weißes Haar und die weichen Gesichtszüge eines Kindes. Es dauerte eine Weile, bis Pitt in seinen Augen neben außergewöhnlicher Intelligenz einen flackernden Humor erkannte, wenn nicht gar Vorfreude auf

Weitere Kostenlose Bücher