Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
bleich vor Angst, während sie das Tier so fest an sich drückte, dass es leise aufjaulte.
»Die Katzen werden mit ihm wohl nicht einverstanden sein«, gab Charlotte ausweichend zur Antwort. »Aber sie werden sich wohl an ihn gewöhnen müssen. Wir sehen uns nach einem Korb für ihn um. Waschen Sie ihm in der Spülküche den Kohlenstaub aus dem Fell.«
Minnie Maude holte zitternd tief Luft, und auf ihr Gesicht trat ein Ausdruck von Hoffnung.
Charlotte wandte sich ab, um wieder nach oben zu gehen. Auf keinen Fall sollte sich das Mädchen einbilden, dass sie bei ihr mit allem und jedem durchkommen würde. »Hat er einen Namen?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Uffie. Aber Sie können ihm einen anderen geben, wenn Sie wollen.«
»Uffie scheint mir ganz passend zu sein«, gab Charlotte zurück. »Bringen Sie das Tier nach oben, und setzen Sie es erst ab, wenn Sie in der Spülküche sind, sonst müssen Sie den Rest des Tages damit zubringen, die Küche von Kohlenstaub zu säubern, und keiner von uns bekommt Abendessen.«
»Es ist eine Sie«, sagte Minnie Maude. »Ich bring sie in die Spülküche und seh zu, dass sie nirgendwo Dreck macht. Sie ist so ein braves Tier.«
Das wird sich zeigen, wenn sie erst gefressen hat, es schön warm hat und merkt, dass sie bleiben kann, ging es Charlotte durch den Kopf. Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. »Sie sind mir für das Tier verantwortlich«, mahnte sie, während sie Minnie Maude, die mit glückstrahlendem Gesicht, den Hund nach wie vor fest an sich gedrückt, hindurchging, die Kellertür aufhielt.
Als Pitt am späten Abend müde nach Hause kam, teilte ihm Charlotte gleich in der Diele die Sache mit dem Hund mit, damit er nicht überrascht war, wenn er ihn in der Spülküche sah. Daniel und Jemima hatten ihn sofort ins Herz geschlossen, sodass es überflüssig war, eine Entscheidung zu treffen.
Als sie am Abend mit Pitt allein im Wohnzimmer saß, erzählte sie ihm, was sie von Adriana erfahren hatte. Im Kamin knisterte leise die dunkler werdende Glut.
»Bist du sicher, dass sie ›Tregarron‹ gesagt hat?«, fragte er und rückte in seinem Sessel ein Stück vor.
»Ja. Aber ich kann natürlich nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass Serafina diesen Namen genannt und damit auch tatsächlich Lord Tregarron hat. Allerdings bin ich überzeugt, dass sie wusste, wer Lazar Dragovic verraten hat, und dass Adriana das auch weiß, ganz gleich, ob Serafina ihr das mitteilen wollte oder nicht.«
»Nun, auf keinen Fall war das damals Tregarron«, sagte Pitt. »Er war zu der Zeit viel zu jung, als dass er in die Sache hätte verwickelt sein können. Ganz davon abgesehen war er hier in England im Internat. Damals dürfte er etwa vierzehn Jahre alt gewesen sein.« Nachdenklich starrte Pitt vor sich hin. »Aber angenommen, er hatte nichts damit zu tun und ist in der Tat, wie sich bereits angedeutet hat, Nerissa Freemarshs Liebhaber, was hatte er dann jetzt bei Mrs. Montserrat zu suchen?«
»Das weiß ich nicht«, gab sie zu. »Vielleicht wollte er sich – als Staatssekretär im Außenministerium – vergewissern, dass Serafina in ihrer Verwirrung keine belastenden Geheimnisse preisgab. Dinge, von denen wir nichts wissen. Zwar hätten sie sich auf längst vergangene Zeiten bezogen, doch könnte es für bestimmte Personen ja nach wie vor peinlich sein, wenn sie bekannt würden. Lord Tregarron ist für einen großen Teil der Beziehungen Großbritanniens zur Donaumonarchie und den umliegenden Ländern zuständig. Was weiß ich – Polen, die Ukraine, das Osmanische Reich? Selbst wenn die Menschen, um die es dabei ging, längst nicht mehr am Leben oder im Amt sind, könnte es besser sein, dass man so manches auf sich beruhen lässt.«
»Wem hätte sie versehentlich solche Geheimnisse enthüllen können?«, fragte er grüblerisch. »Sie hat nicht viel Besuch bekommen.«
»Hätte er es darauf ankommen lassen? Hättest du das getan?«
»Nein.« Seufzend lehnte er sich wieder zurück. »Ich sollte wohl besser gleich morgen früh noch einmal hingehen, um mit Miss Freemarsh und der Zofe, Miss Tucker, zu sprechen … ich muss mir Gewissheit verschaffen. Ich bin dir sehr dankbar.«
Sie war verwirrt.
»Dass du Adriana ausgefragt hast«, erklärte er. »Mir ist klar, dass du das nicht gern getan hast.«
»Ach so. Nein. Thomas, Uffie stört dich doch nicht, oder?«
»Was?«
»Der Hund.«
Er lachte leise im Bewusstsein der Schmerzen und Qualen, um die es bei der ganzen Sache
Weitere Kostenlose Bücher