Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
hergekommen, um mir das mitzuteilen?«
»Selbstverständlich.«
»Danke.«
»Sei vorsichtig …«, mahnte Jack ihn eindringlich.
Pitt lächelte. »Bestimmt. Fahr jetzt nach Hause, bevor man dich da vermisst.«
»Kann ich dir hier nicht helfen?«
»Das hast du bereits getan. Fahr zurück, vielleicht brauchen wir dich da noch, falls Tregarron heute Abend an dem Empfang teilnimmt.«
Mit einem Lächeln glitt Jack zurück in die Menge.
Die Fähre führte ihr Anlegemanöver durch; in wenigen Minuten würde man das Fallreep herunterlassen. Bei der Hafenbehörde hatte man Pitt mitgeteilt, der Herzog werde als Erster an Land gehen. Am besten wäre es gewesen, ihn das inmitten möglichst vieler Mitpassagiere tun zu lassen, weil er dann weniger aufgefallen und weniger verwundbar gewesen wäre. Doch hätte man damit nicht nur gegen das Protokoll verstoßen – es wäre zugleich ein Hinweis darauf gewesen, dass sich der Staatsschutz außerstande sah, ihn so zu schützen, wie es sich gehörte. Pitt war in dieser Frage mit sich selbst zu Rate gegangen und nach wie vor nicht sicher, ob er sich richtig entschieden hatte.
Aufmerksam beobachtete er das Anlegemanöver. Es kam ihm unendlich langsam vor, und als dann doch eine schlanke, elegante Gestalt oben auf dem Fallreep erschien, deren dunkles Haar im Wind flatterte, erfasste ihn große Unruhe. Seine Gedanken jagten sich, während er überlegte, ob ihm etwas entgangen sein könnte, er etwas unterlassen oder etwas nicht bedacht hatte, was Reibnitz womöglich plante, sofern dieser tatsächlich da war.
Der junge Herzog schritt langsam das Fallreep hinab, verneigte sich grüßend und lächelte den Würdenträgern zu, die darauf warteten, ihn begrüßen zu dürfen. Ihm folgten vier modisch, aber lässig gekleidete Männer, die etwa in seinem Alter waren. Keiner von ihnen trug irgendeine Art von Uniform. Mit einem Mal war Pitt überzeugt, dass sie nicht die geringste Vorstellung von einer möglichen Gefahr hatten. Augenscheinlich befanden sie sich auf einer Ferienreise in ein fremdes Land, in dem sie weder Feinde noch Rivalen fürchten mussten und wo, wie sie wohl annahmen, alle Welt begeistert sein würde, sie zu sehen.
Der Bürgermeister der Stadt trat vor, und die lange und äußerst förmliche offizielle Begrüßungszeremonie durch die Honoratioren der Stadt begann.
Beständig ließ Pitt den Blick über die Menschenansammlung gleiten, wobei er sich bemühte, den Eindruck zu erwecken, als halte er nach jemandem Ausschau. Manche mochten gekommen sein, um dem Ereignis beizuwohnen, während andere Freunde oder Verwandte von der Fähre abholen wollten. Er sah Stoker und seine anderen Männer, die ein wenig näher kamen, während sich der Herzog in Begleitung des Bürgermeisters und der anderen Würdenträger in Bewegung setzte.
»Sieht ganz so aus, als wäre er sich keiner Gefahr bewusst«, sagte Stoker ruhig, der inzwischen neben ihm ging. »Vermutlich wird ihm aber doch jemand etwas gesagt haben.«
Pitt ging nicht darauf ein. Er hätte keine Antwort gewusst. Möglicherweise hatte man es in Österreich für klüger gehalten, nicht den Herzog selbst ins Bild zu setzen, sondern lediglich seine vier Begleiter. Es musste jemanden geben, der für seine Sicherheit zuständig war.
Brummend beschleunigte Stoker den Schritt.
Angespannt sah Pitt zu, als der Herzog mit seinem kleinen Gefolge in die Kutsche stieg, die im Schritttempo durch die Straßen fuhr. Die Polizei hatte den Verkehr angehalten, um sie ungehindert durchzulassen. Pitt ließ den Blick von einer Seite zur anderen schweifen, sah aber weder einen Straßenkehrer noch einen Müllkarren. Wo war Staum?
Er und Stoker folgten der Kutsche auf dem Weg zum Bahnhof zu Fuß, achteten auf jede Bewegung und richteten gelegentlich den Blick auf Fenster oberhalb von Geschäften und Büros. Der Wind hatte böig aufgefrischt und brachte einen leichten Nieselregen mit sich. Soweit zu sehen war, stand keins der Fenster offen. Trotzdem war Pitt unruhig. Wieso lief das Ganze so glatt?
Er sah zu Stoker hinüber und erkannte auf seinem Gesicht wie auch an der steifen Art, wie er ging, die gleiche Besorgnis.
Falls es in Dover zu keinem Anschlag kam – hieß das, dass man während der Fahrt des Zuges damit rechnen musste? Hatte man vor, ihn auf ein anderes Gleis umzuleiten, um einen Zusammenstoß herbeizuführen?
Der Bahnhof war in Sichtweite. Noch knapp zweihundert Meter.
Ein Müllkarren, dessen Räder auf dem holprigen Pflaster tanzten,
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