Mord in Dorchester Terrace: Ein Thomas-Pitt-Roman (German Edition)
seinem Taschengeld die Hälfte zahlt.«
»Und wenn sie nicht will?«, fragte er.
»Wenn du ihr das freundlich anbietest und sie es ablehnt, ist die Sache für dich erledigt.« Damit war er zufrieden. Er ging zu Minnie Maude hinüber und wartete auf den versprochenen Kuchen.
»Ich muss eine Weile ausgehen«, teilte Charlotte den beiden mit. »Es kann sein, dass ich eine oder zwei Stunden fortbleibe, vielleicht auch länger. Falls Mr. Pitt zurückkommt«, wandte sie sich an Minnie Maude, »sagen Sie ihm, dass ich bei meiner Schwester bin.«
»Sehr wohl, Ma’am«, gab sie zurück, während sie den Kuchen aus dem Schrank holte.
Ohne sich zum Ausgehen umzuziehen, nahm Charlotte Hut, Mantel und Handschuhe und verließ das Haus, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Sie wollte versuchen, mit Emily Frieden zu schließen. Was zwischen ihnen stand, war nicht so bedeutend, als dass sie sich alles davon verderben lassen sollten, was sie gemeinsam erlebt hatten.
Sie schritt kräftig aus und nahm am Russell Square eine Droschke. Unterwegs versuchte sie sich zurechtzulegen, was sie sagen und wie sie ihre Antworten je nach Emilys Reaktion halten wollte.
Das Wetter war etwas milder geworden. Mehrere Kutschen kamen vorüber, in denen Damen saßen, die entweder Besuche machten oder einfach an der frischen Luft sein wollten. Noch einen Monat, und es würde ein Vergnügen sein, den Botanischen Garten aufzusuchen. Bäume und Büsche würden Blätter und Knospen treiben, und Osterglocken würden blühen.
Vor Emilys großem, elegantem Haus entlohnte Charlotte den Kutscher, dann ging sie zur Tür und zog die Glocke.
Es dauerte nicht lange, bis ein Lakai öffnete und ihr in entschuldigendem Ton mitteilte: »Es tut mir leid, Mrs. Pitt, aber Mr. und Mrs. Radley sind nicht zu Hause. Möchten Sie einen Augenblick hereinkommen und eine kleine Erfrischung zu sich nehmen? Es ist draußen noch ziemlich unangenehm.«
Er hielt die Tür weit auf und tat einen Schritt zurück, um sie eintreten zu lassen.
Sie fühlte sich sonderbar enttäuscht. Der Gedanke, Emily könne um diese Stunde nicht zu Hause sein, war ihr gar nicht gekommen, obwohl das ohne Weiteres jederzeit möglich war. Da hatte sie vergeblich allen Mut zusammengenommen und ihren Stolz heruntergeschluckt. Jetzt war niemand da, mit dem sie Frieden schließen konnte.
»Danke«, nahm sie an und trat in die Wärme des Vestibüls. Es war draußen nicht nur unangenehm windig, auch die Abendkühle lag schon in der Luft, da es allmählich dunkel wurde. »Das wäre mir sehr angenehm. Dürfte ich eine Mitteilung für Mrs. Radley hinterlassen?«
»Gewiss, Ma’am. Ich bringe Ihnen etwas zum Schreiben. Oder möchten Sie sich lieber im Damenzimmer an Mrs. Radleys Sekretär setzen?«
»Das scheint mir ein sehr guter Gedanke. Vielen Dank.«
»Ich lasse Ihnen dann den Tee im Empfangszimmer servieren, wenn Sie zurückkommen. Möchten Sie auch heißes Hefegebäck und etwas Butter dazu?«
Dankbar für seine Fürsorge, lächelte sie ihm zu. »Ja, gern.«
Sie setzte sich ins Damenzimmer, nahm ein Blatt Papier aus Emilys Sekretär und schrieb:
Liebe Emily,
ich bin gekommen, weil ich auf keinen Fall mit Dir in Streit leben möchte. Das Gute überwiegt alles andere bei Weitem, sodass wir kleinen Differenzen nicht allzu großes Gewicht beimessen sollten.
In Liebe
Charlotte
Sie faltete das Blatt zusammen, steckte es in ihr Ridikül, verschloss das Tintenfass und legte den Federhalter hin.
Dann ging sie ins Empfangszimmer, wo ihr wenige Augenblicke später Tee und Gebäck serviert wurden. Sie übergab dem Lakaien die für Emily bestimmte Mitteilung, dankte ihm und nahm Platz, um die Erfrischung zu genießen, bevor sie wieder in die Kälte hinaustrat, um sich nach einer Droschke für die Heimfahrt umzusehen.
KAPITEL 7
Um die Frühstückszeit ging es am siebten März im Haus in der Keppel Street so turbulent zu wie immer. Bevor sich Daniel und Jemima auf den Weg zur Schule machten, mussten sie noch etwas in ihre Schultasche packen, Schuhe, Mantel und Handschuhe anziehen. Ganz gleich, wie sorgfältig am Vorabend alles zurechtgelegt worden sein mochte, immer schien es etwas zu geben, was fehlte. Da es draußen bitterkalt war und ein eisiger Wind ging, wickelte Charlotte beiden einen Schal um den Hals. Dabei fiel ihr auf, dass ein Mantelknopf lose herabhing. Eilig nahm sie Nadel und Faden, Fingerhut und Schere zur Hand, um ihn wieder anzunähen, dann endlich konnte sie die Geschwister an der
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