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Mord in h-moll

Mord in h-moll

Titel: Mord in h-moll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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stehen, der die Haustüre nicht aus dem Auge läßt. Wenn ich Anstalten mache zu verschwinden, wird man mich festnehmen.
    Oder man erwartet, daß ich ganz still bleibe und nur abwarte, bis alles vorbei ist. Dann würde man zu mir kommen und mir das Tonband unter die Nase halten und sagen: ach nein, Sie haben gar nicht gemerkt, daß wir Ihnen ein Tonband weggenommen haben? Das haben Sie wirklich nicht gemerkt? Wir wollen Ihnen mal sagen, weshalb Sie es nicht gemerkt haben.
    So dachte die Polizei, und darauf war sie eingestellt. Ich mußte etwas tun, womit sie nicht rechnete.
    Da gab es nur eine einzige Möglichkeit.
    Ich mußte gleich morgen früh zur Kripo gehen, einen verstörten Eindruck machen und sagen:
    »Herr Kommissar, es ist etwas sehr Merkwürdiges passiert, was ich mir überhaupt nicht erklären kann. Erinneren Sie sich daran, daß ich schon gestern abend immer behauptet habe, ein Unglücksfall sei ausgeschlossen? Es scheint, daß ich Recht habe, denn stellen Sie sich vor, was ich entdeckt habe: es fehlt mir ein Tonband. Ein ganzes Tonband. Ich legte es morgens in das Gerät ein, und abends, als Sie alle fort waren, habe ich feststellen müssen, daß dieses Band verschwunden war.«
    Damit konnte ich sie verblüffen, denn das würde nicht in das Bild passen, das sie sich von mir gemacht hatten. Das passte nicht in ihre Schablone von einem Mörder.
    »Und weshalb«, würde der Kommissar mich fragen, »weshalb sollte der Mörder Ihrer Frau ausgerechnet dieses Tonband mitgenommen haben? Fehlt sonst noch etwas in Ihrer Wohnung?«
    »Nein, sonst nichts«, würde ich sagen. »Aber jetzt kann ich mir einen Vers auf das Ganze machen. So sehr es mich schmerzt,« würde ich gebrochen fortfahren, »so weh es mir tut, aber es gibt für mich nur eine Erklärung: meine Frau hat mich betrogen, sie hatte einen Liebhaber. Es muß zu einer Eifersuchtsszene gekommen sein, er hatte sie in der Badewanne getötet, vielleicht im Affekt, und dann hatte er das Band mitgenommen.«
    »Zum Teufel«, sagt dann der Kommissar, »was will er denn mit diesem vertrackten Tonband.«
    »Es waren Chansons darauf, von meiner Frau gesungen. Er hat sie vermutlich sehr geliebt. Er muß sie ja geliebt haben, sonst hätte er sie nicht umgebracht. Frauen, die einem gleichgültig sind, bringt man nicht um. Und nun hat er wenigstens noch ihre Stimme auf dem Tonband.«
    Der Kommissar konnte das glauben oder nicht. Jedenfalls bestand dann für mich die Möglichkeit, daß man nach dem großen Unbekannten suchte, nach dem Freund meiner Frau.
    Als ich mit meinen Gedanken soweit gekommen war, wurde ich ruhiger. Ja, so mußte ich es machen. Da hatten sie einen Knochen, an dem sie sich die Zähne ausbeißen konnten.
    Es war spät geworden. Ich nahm ein Schlafmittel und legte mich ins Bett.
    Ich war gerade am Einschlafen, als mich das Schrillen des Telefons aus dem Bett riß. Ich erschrak so, daß mir die Knie zitterten. Wer konnte mich jetzt, um viertel nach zwölf Uhr, noch anrufen?
    Ich zögerte, den Hörer abzunehmen. Ich konnte ja morgen sagen, daß ich ein Schlafmittel genommen und das Läuten nicht gehört hatte. Aber was gewann ich damit? Ich hob ab.
    »Hallo, hier spricht Roeder.«
    Nichts. Stille.
    »Hallo, wer ist da?«
    Stille. Ich atmete schon auf. Vielleicht eine falsche Verbindung. So etwas kommt ja vor.
    Schon wollte ich einhängen, da hörte ich etwas. Das Blut in meinen Adern gerann. Ich hörte Musik.
    Ich hörte das dunkle, leise Motiv von Schubert, ich hörte den Anfang der h-moll Sinfonie...
    Krampfhaft preßte ich den Hörer ans Ohr. Jetzt... gleich mußte die übersteuerte Stelle mit den etwas unreinen Tönen kommen... da war sie!
    Es war mein Band.
    »Hallo!« schrie ich, heiser vor Aufregung. »Hallo, wer ist dort?«
    Ein leises Knacken, die Musik war verstummt, die Verbindung unterbrochen.
    Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn.
    Jemand hatte mein Band, das war mir ja schon klar geworden. Aber dieser jemand fing nun an, mit mir zu spielen.
    Ich wankte in meine Schlafkammer zurück, setzte mich auf den Bettrand und zündete mir ein Zigarillo an. Tief atmete ich den Rauch ein und wurde etwas ruhiger.
    Die Kripo macht solche Mätzchen nicht. Oder doch? Wollte mich dieser verdammte Kommissar weich kochen? Ich dachte hin und her und kam zu der Überzeugung, daß kein Kriminalbeamter so phantasievoll war, mich auf diese Art fertig zu machen. Die hatten andere Methoden.
    Also ein Unbekannter.
    Jemand, der vor mir in der Wohnung

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