Mord in Londinium
daran.«
Popillius’ Blick war mit Vorsicht überschattet. »Warum sollte ich den Statthalter verdächtigen? Warum um alles in der Welt sollte Frontinus …« Er war geübt im Kreuzverhör. »Um sich das Leben leicht zu machen. Sich eines unbequemen Kriminellen zu entledigen, ohne Beweise erbringen zu müssen oder das Risiko einzugehen, ihn vor Gericht zu stellen.«
Popillius wirkte echt verblüfft. »Ich finde, das passt nicht zu ihm. Und was sollte das Risiko eines Prozesses sein?«, wollte er wissen.
»Dass der Verbrecher freigesprochen wird.«
Er lachte. »Ist das ein Kompliment für meine Redekunst? Also …« Er wurde wieder ernst. »Der Mann, den Sie als ›Spleiß‹ kennen – was ist mit ihm? Ich muss ihn sehen.«
»Dann müssen Sie ihn erst mal finden«, höhnte Petro.
»Was ist passiert?«
»Er ist aus der Haft geflohen«, bekannte ich düster.
»Pyro ist wahrscheinlich von der Bande beseitigt worden«, fügte Petro hinzu, gab sich berufsmäßig. »Um ihn vom Reden abzuhalten. Spleiß könnte erkannt haben, dass er für seine Arbeitgeber ebenfalls an Wert verloren hatte, also hat er sich, sobald er entkommen war, gegen sie gewandt.«
»Warten Sie, warten Sie …«, unterbrach Popillius. »Gehen Sie einen Schritt zurück. Sie wollen mir sagen, dass mein Klient geflohen ist?«
»Auf Ihre Veranlassung, Popillius?«, fragte ich sarkastisch.
Popillius schnauzte: »Bleiben Sie sachlich und sagen Sie mir, was los ist.«
Wir setzten uns rechts und links neben ihn und redeten mit ihm wie Lehrer. »Einem Ihrer inhaftierten Klienten wurde das Leben genommen, während er in Gewahrsam war …«
»Spleiß rettete seine Haut, indem er nicht von dem vergifteten Tablett aß …«
»Und während er an einen sichereren Ort gebracht wurde, gelang es den Soldaten irgendwie, ihn zu ›verlieren‹.«
»Durch Bestechung«, entschied Petro.
»Und wer ist der Hauptverdächtige für die Bezahlung der Soldaten?«, fragte ich ihn.
»Ein korrupter Anwalt, würde ich sagen, Falco.«
»Finden Sie sich damit ab«, riet ich Popillius. »Wenn Sie für Gangster arbeiten, wird man Sie automatisch für deren Mittelsmann halten.«
Popillius knurrte. »Ich habe nur Klienten angenommen, in einem Fall, der juristisches Eingreifen gerechtfertigte.«
»Tja, Sie haben sie jetzt beide verloren«, teilte ich ihm düster mit. »Pyro wurde vergiftet – und Spleiß wurde bei einem Kampf getötet.«
»Sind Sie sicher, oder ist das Hörensagen?«
»Ich habe es selbst gesehen. Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, den Fall zu übernehmen?«
Popillius antwortete offen: »Ein Sklave brachte mir einen Brief. Darin wurde die Position der beiden als Gefangene umrissen und gefragt, wie hoch mein Honorar sein würde.«
»Wer hat den Brief unterschrieben?«, wollte Petronius wissen.
»Anonym. Die sprichwörtlichen ›Freunde der Beschuldigten‹. So was passiert. Gewöhnlich aus dem Grund, dass der fragliche Mann sich hinterher nicht verpflichtet fühlt und es ihm peinlich ist.«
»Und wie haben Sie geantwortet?«, schnauzte Petro zurück. »Auch per Brief?«
Popillius nickte. Zynisch fragte ich dann: »Wie konnten Sie sicher sein, dass man Sie bezahlen würde?«
Er lächelte schwach. »Meine Bedingung war Vorauszahlung.«
»Oh, nicht dumm! Ich gehe davon aus, dass die Vorauszahlung eintraf?« Wieder nickte er. »Also«, fasste ich zusammen, »hatten Sie nie direkt mit ihnen zu tun und wissen immer noch nicht, wer Ihre Auftraggeber sind?«
Popillius schaute mich an. Das war der Augenblick, in dem er beschloss, mich zu überraschen. Er lehnte sich zurück, die Hände über dem Gürtel verschränkt. »Nicht ganz«, erwiderte er. »Ich weiß, wer mich beauftragt hat. Und für Sie vielleicht noch wichtiger – er weiß nicht, dass ich ihn beschattet habe.«
Petronius und ich schauten uns an. Selbst bevor Popillius fortfuhr, begriffen wir, was er tun würde. Es empörte uns, dass er dabei war, unsere Voreingenommenheit zu untergraben – aber das Letzte, was er uns gesagt hatte, warnte uns: Er würde uns den Namen nennen.
Wir waren traditionelle Jungs und entsprechend schockiert.
Doch es stimmte: Wir hatten einen ehrlichen Anwalt vor uns.
XLVII
Selbst Helena hatte aufgehört, leise mit Albia zu reden. Helena hatte wunderbare Ohren. Diese wohl geformten Muscheln waren perfekt geeignet für Perlenohrringe, verführten zum Knabbern – und konnten quer durch einen vollen Bankettsaal geflüsterte Skandalworte
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