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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Onkel meinte. Der Folterknecht sah aus, als hätte er sich dazu gezwungen, eine andere Tätigkeit liegen zu lassen – eine interessantere Tätigkeit, eine, die rechtzeitig mit ihm vereinbart worden war, im Gegensatz zu unserer problematischen, in letzter Minute geforderten. Seine Ärmel waren hochgerollt, und seine Tunika war voller Flecken (wovon?) . Mit der müden, sich ausgenutzt fühlenden Haltung eines Mannes, der es mit Idioten zu tun hat, hörte er sich unsere Bitte an. Wäre ein Honorar zu zahlen gewesen, hätte er einen weit überhöhten Preis verlangt. Aber da er auf der Lohnliste des Statthalters stand, kam das nicht infrage.
    »Berufsmäßige Kriminelle können schwierig sein«, bemerkte er, als wollte er uns wissen lassen, welches Glück wir hätten, seine Fähigkeiten in Anspruch nehmen zu können.
    »Wollen Sie damit sagen, es lässt sich nicht machen?«, sorgte sich Hilaris, als handelte es sich tatsächlich um eine verbogene Achse.
    »Oh, machen lässt es sich schon!«, versicherte ihm Amicus frostig.
    Er hatte einen langen, dünnen, ungehobelten Assistenten, der nie den Mund aufmachte. Dieser junge Mann sah sich mit offener Neugier um und machte irgendwie den Eindruck, als sei er äußerst helle. Amicus selbst musste zwangsläufig intelligent sein. Berufsmäßige Folterexperten gehören zu den Scharfsinnigsten des Imperiums. Ihre Arbeit verlangt von ihnen, sich in der Welt auszukennen und nach Möglichkeit belesen zu sein. Das kann man mir ruhig glauben. Ich hatte schon früher mit ihnen zu tun gehabt, während meiner Zeit als Armeekundschafter. »Ich wette, der studiert in seiner Freizeit Kosmografie«, hatte ich vorher zu Hilaris gemeint.
    »Nichts so Frivoles wie die Planeten. Ich habe mal ein langes Gespräch über demokritische Prinzipien mit ihm geführt und ob die Götter Schmerz oder Freude empfinden. Das ging sehr schnell über meinen Horizont hinaus!«
    Jetzt schniefte Amicus – sein einziger Gefühlsausdruck und sogar der war möglicherweise durch eine Sommerallergie hervorgerufen. »Ich fang mit den Kellnern an; die erledige ich heute Nachmittag.« Ich hatte vorgehabt, die Kellner selbst zu verhören, fügte mich ihm aber demütig. »Der Barbier kann noch warten. Ich hasse Barbiere. Mickrige kleine Burschen, die nur noch quengeln, wenn sie mal gebrochen sind … Was jetzt Ihre beiden Geldeintreiber angeht, die hätte ich gerne für zwei Nächte in Einzelhaft, wenn möglich mit wenig Schlaf. Und natürlich ohne Essen. Dann überlassen Sie sie mir. Ich schicke Ihnen Titus, wenn es Zeit zum Zusehen ist.« Hilaris und ich versuchten, anerkennend zu schauen.
    »Was wollen Sie wissen?«, fragte Amicus dann als nachträglichen Einfall.
    »Die Wahrheit«, erwiderte Hilaris mit einem angedeuteten Lächeln.
    »Ach, was Sie nicht sagen, Prokurator!«
    »Jemand muss hier ja Wertvorstellungen haben«, tadelte ich. »Hier ist eine Liste: Wir wollen alles über die Schutzgelderpressung wissen, über zwei Morde – an einem Briten, der aus unbekannten Gründen in einem Brunnen ertränkt wurde, und an einem Bäcker, der sich der Erpressung widersetzt hat und zu Tode geprügelt wurde. Und wer die Bandenführer sind.«
    »Es wird angenommen, dass es zwei sind«, fügte der Prokurator hinzu. »Selbst ein Name würde helfen.«
    Amicus nickte. Diese banalen Aufgaben schienen ihn viel weniger zu faszinieren als die demokritischen Prinzipien. Er führte seinen Assistenten, den dünnen Titus, mit dem tödlichen Spruch »Nimm den Sack mit, Titus!« weg.
    Ich hätte den Sack erwähnen sollen. Er war riesig. Titus konnte ihn kaum auf die Schulter hieven, als er hinter Amicus herschwankte. Das Ding blieb beim Hinausgehen am Türrahmen hängen und riss ein Stück aus dem Architrav, was ein hallendes Rasseln der schweren Metallgegenstände im Sack verursachte.
     
    Amicus steckte den Kopf zurück durch die Tür. Flavius Hilaris, der die beschädigte Schreinerarbeit inspiziert hatte, ließ ein Stück Architrav fallen und trat beschämt zurück, weil er sich über den Schaden geärgert hatte.
    »Wollen Sie, dass ihnen hinterher nichts anzusehen ist?«, fragte Amicus.
    Ich glaube, Hilaris wurde bleich. Er fand die richtige Antwort: »Die Geldeintreiber haben einen Anwalt.«
    »Oh!«, erwiderte der Folterknecht beeindruckt. Er schien sich über die Herausforderung zu freuen. »Dann werde ich sehr vorsichtig sein!«
    Er verschwand wieder. Hilaris setzte sich. Keiner von uns sagte ein Wort. Wir waren beide gedämpfter

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